Der Hexer - NR43 - Revolte der Echsen
undenklichen Zeiten ruht er unangetastet in der Grotte, niemand...«
»Ich kann es, und ich habe es schon einmal getan«, unterbrach ich sie barsch, wohlweislich verschweigend, daß mich bei diesem Versuch möglicherweise nur eine augenblickliche Ohnmacht vor Schaden bewahrt hatte.
Anehs Worte trafen mich schwerer, als ich mir anmerken ließ. Ich hatte die Macht des Kristalls gespürt, und es mochte durchaus sein, daß jeder Versuch, ihn für meine Zwecke zu nutzen, mit meinem Tod – oder Schlimmerem – enden mochte.
Dem gegenüber stand die Chance, durch die Kräfte des Steins wirklich zu dem gottähnlichen Wesen zu werden, das die Menschen hier in mir sahen. Etwas ging im Ancen-Turm vor, dem ich nicht gewachsen war, wie die letzten Stunden deutlich gezeigt hatten. Wenn ich Sill retten wollte, mußte ich den Kristall an mich bringen.
»Laßt mich allein mit einigen Begleitern aufbrechen«, schlug Madur vor. »Ihr würdet nicht in Gefahr geraten, und es wäre sogar einfacher. Wir kennen das Gelände.«
Ich schüttelte den Kopf. Wahrscheinlich hatte Madur recht, und ich war eher eine Belastung als eine Hilfe, doch ich würde nur weitere Zeit verlieren.
»Es hat keinen Sinn, weil wir die Strecke dann doppelt zurücklegen müßten«, antwortete ich langsam. »Denn sobald ich den Kristall habe, werde ich nach Ancen gehen.«
* * *
Mit fassungslosem Entsetzen starrte Sill auf den Leichnam zu ihren Füßen. Das Schwert schien mit einem Male glühend heiß zu werden. Angeekelt schleuderte sie es von sich.
Noch im Tode zeigte Noas’ Gesicht den Ausdruck grenzenloser Überraschung. Er hatte nicht einmal versucht, sich zu wehren. Der Tod war so schnell gekommen, daß er keine Zeit gefunden hatte, auch nur einen Schrei auszustoßen. Wahrscheinlich hatte er bis zuletzt nicht einmal richtig begriffen, was überhaupt geschah.
»Gut gemacht«, dröhnte die fremde Stimme wieder in Sills Geist, gefolgt von einem gellenden Gelächter. Sie preßte die Hände gegen die Ohren, ohne dadurch das Lachen abmildern zu können.
»Warum?« schrie sie. »Warum mußte er sterben? Er war nichts als ein alter Mann, der mir helfen wollte, er...« Die Stimme versagte ihr den Dienst und ging in ein ersticktes Schluchzen über.
»Es war nötig, um zu prüfen, wie treu du mir ergeben bist.« Immer noch schwang Gelächter in der lautlosen Stimme des Unbekannten mit. Gleichzeitig erhob sich das Schwert wie von unsichtbaren Händen getragen und kehrte zu ihr zurück. Gegen ihren Willen streckte Sill die Hand aus, ergriff es und steckte es in den Gürtel ihres Gewandes.
»Jetzt weiß ich, daß du jedem meiner Befehle gehorchen wirst«, fuhr die Stimme fort. »Und nun geh in den Beschwörungssaal hinunter. Es wird Zeit, daß du die Herrschaft über den Ancen-Turm antrittst.«
Wie betäubt wandte sich Sill der Tür zu und öffnete sie. Zwei Männer erwarteten sie. Bei ihrem Anblick verneigten sie sich. Sie mußten den leblosen Körper im Zimmer sehen, ließen sich jedoch nichts anmerken.
»Führt mich in den Beschwörungssaal!« befahl Sill. Ihre Stimmbänder formten die Worte wie von selbst. Der Unbekannte hatte erneut die Kontrolle über ihren Körper übernommen und ihr eigenes Bewußtsein völlig zurückgedrängt. Sie war nicht mehr als eine Sklavin, die zwar ihren freien Willen behalten hatte, aber die eigene Hilflosigkeit dadurch nur um so stärker zu spüren bekam.
Immer noch war sie geschockt von ihrer furchtbaren Tat. Ihre Gedanken liefen wirr durcheinander. Sie wußte nicht, wo sie sich befand und was überhaupt geschehen war, konnte nicht einmal Vermutungen darüber anstellen, wer der Fremde war, der sich in ihrem Geist eingenistet hatte. Solange sie ihre Situation nicht besser einschätzen konnte, war jede Gegenwehr sinnlos.
Ohne eigenes Zutun folgte sie den beiden Männern, die sie über Korridore und Treppen führten. Schließlich verharrten sie vor einer Tür und öffneten sie. Noch einmal verbeugten sie sich, bevor sie sich zurückzogen.
Mit hoch erhobenem Kopf betrat Sill den Saal. Ein Dutzend Menschen aller Altersgruppen erwarteten sie. Sie kauerten in kreisförmiger Formation auf dem Boden. Die leisen Gespräche verstummten, alle Blicke wandten sich ihr zu. Blicke aus Augen, die...
Sill vergaß den Gedanken so schnell, wie er gekommen war. Verwirrt wollte sie den Kopf abwenden, aber das ließ der Unbekannte nicht zu. Im Gegenteil, sie war gezwungen, ihren Blick über die Anwesenden schweifen zu lassen. Es war, als ob
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