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Der Hexer - NR45 - Der abtrünnige Engel

Der Hexer - NR45 - Der abtrünnige Engel

Titel: Der Hexer - NR45 - Der abtrünnige Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene
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eine neue Barriere um seine Gedanken zu errichten, aber es war zu spät. Vorsichtig tastete ich mich weiter vor, und dann...
    Es war, als ob flüssiges Feuer durch meinen Geist rinnen würde. Eine Sonne schien in meinem Kopf zu explodieren und überflutete mein Denken mit greller Helligkeit. Die Wirklichkeit verschwand hinter einem Vorhang aus wabernder Glut. Meine Gedanken zerfaserten; mein Bewußtsein wurde hineingerissen in die sengende Flammenhölle.
    Ich schrie auf und preßte die Hände an die Schläfen, ohne den entsetzlichen Schmerz dadurch lindern zu können. Blindlings taumelte ich in der Halle umher, bis ich über irgend etwas stolperte und zu Boden stürzte. Verzweifelt versuchte ich, meine geistigen Fühler aus Bills Geist zurückzuziehen.
    Es gelang mir nicht.
    Visionen stürmten in wilder Flut auf mich ein; Bilder von Grauen und Tod, mehr, als ein Mensch zu ertragen imstande war.
    Ich sah...
    Necron, den wahnsinnigen Hexenmeister der Drachenburg, der sich mit widerwärtigem Grinsen über mich beugte. Etwas Metallisches funkelte in seinen Händen. Ich schrie und bäumte mich auf, aber eiserne Ketten hielten meine Handgelenke.
    Ich sah ein Paar riesiger, strahlend weißer Flügel, bevor sie sich rot von Blut färbten und der entsetzliche Schmerz endgültig die Grenzen des Erträglichen überstieg.
    Ich nahm an meinem eigenen Tod teil, spürte, wie ich vom Leben in eine andere Existenz glitt, die so nichtmenschlich war, daß mein Verstand sich weigerte, etwas davon wahrzunehmen.
    Dem Wahnsinn nahe, krümmte ich mich auf dem Boden, bis es mir schließlich gelang, mein Gehirn gegen die grauenhaften Visionen abzukapseln. Als ich endlich das Bewußtsein verlor, war es wie eine Erlösung.
    Aber noch bis in die Ohnmacht hinein verfolgte mich das Bild, das ich die ganze Zeit über durch die Visionen hindurch gesehen hatte.
    Das Bild einer Frau von zarter, elfenhafter Gestalt, mit alabasterfarbener Haut und einem feingeschnittenen Gesicht, umrahmt von schulterlangem, goldenem Haar.
    Das Bild einer Frau, die vor mehr als einem halben Jahr in meinen Armen gestorben war.
    Shadow!

    * * *

    Es gab nichts Besonderes an dem Haus am Ashton Place 9, sah man davon ab, daß es in einer der exklusivsten Wohngegenden Londons lag und der verwahrloste Garten gerade hier für den Geschmack eines jeden Engländers eine empfindliche Beleidigung darstellte. Trotz der Dunkelheit und des Nebels, der wie eine Decke über dem Boden lag und sich als bizarres, vielarmiges Gespinst an den Pflanzen hochwand, war der schlechte Zustand des Grundstücks zu erkennen. Ein zufällig vorbeikommender Passant hätte dem Anwesen wohl nur einen flüchtigen Blick gewidmet und wäre dann kopfschüttelnd – und vielleicht eine Spur hastiger als zuvor – weitergegangen.
    Aber Vernon Jackson war weder zufällig hier vorbeigekommen, und er ging auch nicht weiter. Im Gegenteil, wie gebannt starrte er das Haus an.
    Es war groß, sehr groß sogar; dreieinhalb Stockwerke hoch und mehr als hundert Fuß breit, aber es war nicht allein die Größe des Bauwerkes, die ihn in ihren Bann schlug.
    Der Nebel ließ es nur verschwommen sichtbar werden, aber was Jackson sah, weckte in ihm nicht die Neugier auf mehr. Das Gebäude schien auf eine unbegreifliche Art zu leben, es schien im Rhythmus eines riesigen schwarzen Herzens zu pulsieren und gestaltgewordene Düsternis wie einen verderbenden Odem auszuatmen. Der Arzt glaubte, schattige schwarze Arme zu sehen, die aus den Mauern nach ihm griffen, das ganze Haus beugte sich über ihn und öffnete sein Maul, um ihn zu verschlingen, dann...
    Schlagartig zerplatzte die Vision. Schweratmend lehnte sich Jackson gegen die rostigen Gitterstäbe, die das Anwesen umgaben, und wischte mit dem Handrücken den kalten Schweiß fort, der sich auf seiner Stirn gebildet hatte. Als er nach einigen Sekunden aufblickte, war Andara-House wieder ein Gebäude wie jedes andere.
    Zumindest fast...
    Er versuchte, die Visionen zu verdrängen, die auf ihn eingestürmt waren. Aber sie hatten sich wie ein schleichendes Gift in seinem Geist eingenistet und nahmen Einfluß auf seine Gedanken. Was er erlebt hatte, war weit mehr als nur eine Illusion gewesen. Das Haus hatte erkannt, daß er seinem Besitzer feindlich gesonnen war, und es hatte ihm eine eindeutige Warnung zukommen lassen.
    Unsinn, schalt Jackson sich selbst. Gerade er, der tiefer als jeder andere Mensch in die Geheimnisse der Existenz vorgedrungen war, wußte, daß es nichts gab, das

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