Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hexer - NR45 - Der abtrünnige Engel

Der Hexer - NR45 - Der abtrünnige Engel

Titel: Der Hexer - NR45 - Der abtrünnige Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene
Vom Netzwerk:
jeden, der sich ihr in den Weg stellte...

    * * *

    Wir brauchten nicht weit zu laufen, bis mein unbekannter Helfer vor dem Tor eines alten Lagerhauses stehenblieb. Er machte sich kurz am Schloß zu schaffen und schob das Tor dann mühelos zur Seite. Mit einer ungeduldigen Handbewegung bedeutete er mir, einzutreten.
    Ich folgte ihm in das Dunkel. Muffiger Geruch schlug mir entgegen. Etwas raschelte, dann flammte ein Streichholz auf. Eine alte Petroleumlampe, die irgend jemand hier vergessen hatte, hing neben dem Tor. Der Mann zündete sie an und drehte den Docht weit heraus. Zuckender Lichtschein glitt über die Wände und warf bizarr verzerrte Schatten. Neugierig blickte ich mich um. Die Halle war bis auf einige verrottete große Kisten leer. Eine fingerdicke Staubschicht auf dem Boden zeigte an, daß sich schon seit langem niemand mehr hier aufgehalten hatte. Das Dach war an mehreren Stellen eingesunken, so daß ein Stück des Himmels sichtbar wurde. Auf dem Boden hatten sich Pfützen gebildet.
    Ich wandte mich wieder meinem Helfer zu. Er hatte eine der Kisten herumgedreht und sich darauf gesetzt. Die Lampe stand zwischen seinen Füßen auf dem Boden. Der flackernde Lichtschein verlieh seinem Gesicht ein geradezu dämonisches Aussehen, und nicht zum erstenmal in dieser Nacht fragte ich mich, in was für einem verrückten Spiel ich eigentlich unversehens zur Hauptperson geworden war.
    »Wer sind Sie?« fragte ich. Meine Stimme klang härter als beabsichtigt. Die Nervenanspannung der letzten Stunden machte sich bemerkbar. Ohne die Hilfe des Mannes hätte es übel für mich ausgesehen, aber ich konnte mir nicht vorstellen, daß er mir nur aus reiner Menschenliebe geholfen hatte. Es gab schon zu viele offene Fragen, jetzt wollte ich endlich auch einige Antworten bekommen.
    »Ein Freund«, antwortete er ausweichend. »Nenn mich Bill.«
    Ich musterte ihn genauer. Etwas an ihm kam mir sonderbar vertraut vor, ohne daß ich zu sagen vermochte, was diesen Eindruck hervorrief. Ich war mir sicher, ihn noch nie gesehen zu haben, und auch der Name sagte mir nichts. Männer wie ihn traf man zuhauf in jeder Hafenspelunke, sein Aussehen war mir völlig unbekannt. Kurzes, dunkles Haar umrahmte sein grobschlächtiges Gesicht. Er mochte um die vierzig Jahre alt sein, obwohl er älter aussah. Seewind und Salzwasser hatten seine Haut gegerbt, daß sie fast wie Leder aussah.
    Etwas an ihm irritierte mich, kam mir sonderbar falsch vor, und es dauerte einige Sekunden, bis ich begriff, was es war. Seine Bewegungen waren überaus geschmeidig, gleitend; sie schienen nicht recht zu seiner muskulösen, plump anmutenden Gestalt zu passen.
    »Ich wüßte nicht, daß wir uns schon einmal begegnet wären«, sagte ich und überlegte fieberhaft, an wen er mich erinnerte. Das Gefühl der Vertrautheit war so stark, daß es sich nicht um Einbildung handeln konnte. Es lag weniger an Bills Aussehen als vielmehr an seiner Art, sich zu bewegen, an seiner Mimik und dem Blick seiner grauen Augen.
    Er lächelte amüsiert.
    »Das spielt jetzt keine Rolle«, antwortete er. »Wichtig ist nur, daß du frei bist, was du wohl ausschließlich mir zu verdanken hast. Dafür kann ich wohl ein wenig Vertrauen von dir erwarten.«
    Er blickte mir fest in die Augen. Ich spürte eine unsichtbare Hand, die nach meinen Gedanken griff, und stemmte mich gegen den fremden Einfluß. Es gelang mir relativ leicht, ihn abzublocken. Die hypnotischen Kräfte des Mannes waren nicht allzu stark; sie hätten möglicherweise für einen normalen Menschen gereicht, aber meine eigenen Kräfte waren zu gut ausgeprägt, als daß ich auf einen so simplen Trick hereingefallen wäre.
    »Natürlich vertraue ich dir«, murmelte ich, um ihn in Sicherheit zu wiegen. Ich bemühte mich, meine Gesichtsmuskeln erschlaffen zu lassen und den typischen leeren Blick eines Hypnotisierten zu kopieren. Gleichzeitig konzentrierte ich mich mit aller Macht auf das magische Erbe meines Vaters. Nur am Rande wunderte ich mich, daß ich plötzlich wieder in der Lage war, meine Hexerkraft einzusetzen, während es mir bei den Polizisten nicht gelungen war.
    Im gleichen Moment, in dem die Aufmerksamkeit meines Gegenübers nachließ, schlug ich zu. Mühelos drängte ich seine geistigen Fühler zurück. Ich drehte den Spieß um und griff nun meinerseits nach seinem Bewußtsein. Ein lautloser Aufschrei gellte durch meinen Geist, als ich den Widerstand endgültig zerbrach. Ich spürte, wie der Mann versuchte, in aller Hast

Weitere Kostenlose Bücher