Der Hexer - NR49 - Hochzeit mit dem Tod
*
Sie war der Verzweiflung nahe. Sie hatte es versucht, mit aller Kraft, die sie aufbringen konnte, aber das Fremde war stärker geworden. Die Warnung, die sie Robert hatte schicken wollen, hatte sich ins Gegenteil gekehrt. Wie so viele Male zuvor.
Shadow war erschöpft. Sie war schon zu lange in diesem Körper. Die Gefahr, ihn nicht mehr verlassen zu können, war groß.
Und mit ihr die Gefahr zu sterben.
Denn dies war die einzige Möglichkeit für eine El-o-hym, wirklich zu sterben, auch wenn ihr Tod etwas ganz anderes war als der Tod eines Menschen. Nein – ihre Existenz würde andauern, solange das Universum bestand, und vielleicht darüber hinaus. Aber sie war verwundbar in dieser menschlichen Hülle. Der-in-den-Schatten-wandelt konnte sie finden und überwältigen, hilflos wie sie war, und auch andere, vielleicht schlimmere Feinde, und –
Shadow dachte den Gedanken nicht zu Ende. Sie hatte wahrlich anderes zu tun, als sich in Selbstmitleid zu üben.
Mitternacht, hatte Hastur gesagt.
Nun gut – es waren noch dreizehn Stunden. Zeit genug für einen allerletzten, verzweifelten Versuch...
* * *
Es war nur ein kurzer Schwächeanfall, keine wirkliche Ohnmacht. Ich erwachte, noch bevor die ersten Hochzeitsgäste ganz von ihren Plätzen aufgesprungen und zu mir geeilt waren, und stemmte mich mühsam hoch. Noch einmal glaubte ich das verzerrte Teufelsgesicht über mir zu sehen, das mir die Schreckensvision vorgegaukelt hatte, aber das Bild verblaßte, ehe ich auch nur wirklichen Schrecken empfinden konnte. Ich kniete neben Priscylla, niemandem anders.
Und irgendwie spürte ich, daß es vorbei war. Die fremde Macht – wer immer es war –, hatte es versucht, ein letztes Mal und mit aller Kraft, aber sie war gescheitert. Von nun an würde ich Ruhe haben.
Vielleicht war dies auch nur bloßes Wunschdenken, aber wie auch immer – es half. Ich grinste verlegen, stand vollends auf und wehrte die zahllosen hilfreichen Hände ab, die sich nach mir ausstrecken wollten. Schon fast überhastet nahm ich meine frisch angetraute Ehefrau an der Hand, verließ die Kirche und eilte auf die wartende Kutsche zu.
Es war nur die erste in einer ganzen Kolonne von Fuhrwerken und Wagen, die uns zum Hilton-Hotel begleitete – das Howard in einem Anfall von Bescheidenheit gleich für den ganzen Tag angemietet hatte.
Normalerweise gehöre ich durchaus zu den Leuten, die einer Feier nicht abgeneigt sind, aber heute sah ich dem uns bevorstehenden Bankett mit gemischten Gefühlen entgegen. Es war so viel geschehen, daß ich eigentlich nichts anderes als meine Ruhe wollte; zusammen mit Priscylla, versteht sich.
Aber es mußte wohl sein.
Und irgendwie überstand ich den Tag sogar, bis Pri und ich uns unter einem fadenscheinigen Vorwand verabschiedeten und es den zahllosen Gästen – von denen ich die allerwenigsten überhaupt kannte – überließen, die Bar des Hilton leerzutrinken. Die anzüglichen Blicke, die uns folgten, als wir in die wartende Kutsche stiegen, ignorierte ich.
Obwohl es noch keine elf Uhr war, als wir nach Hause kamen, war es bereits dunkel, und das Haus lag still und ausgestorben wie ein gewaltiges Grab da. Es war sonderbar, daß sich mir ausgerechnet dieser Vergleich aufdrängte, denn ich hatte eigentlich jeden Grund, in Hochstimmung zu sein, aber er tat es, und er mischte sich wie ein Tropfen bitterer Galle in die Euphorie, die von mir Besitz ergriffen hatte.
Natürlich wußte ich, warum das Haus so still war. Ich selbst hatte ja dem Personal für diesen Abend freigegeben und dafür gesorgt, daß meine frisch angetraute Frau und ich von niemandem gestört wurden. Alles war vorbereitet, so wie ich es angeordnet hatte: im Kamin im kleinen Salon brannte ein behagliches Feuer, auf dem Tisch stand eine kleine Mahlzeit für zwei, Kerzen brannten... und Mary hatte noch einiges mehr getan, wofür ich sie im nachhinein noch umarmt hätte, wäre sie dagewesen. Zum Beispiel den Myrtenkranz über der Eingangstür, die aus Blumen gesteckten Worte »Herzlich willkommen, Mrs. Craven«, die den größten Teil der Halle einnahmen, und all die anderen Kleinigkeiten, die irgendwie zu einer Hochzeit gehörten und auf die wohl nur eine Frau kommen konnte.
Und trotzdem...
Etwas war nicht so, wie es sein sollte.
Vielleicht lag es nur an meiner Erschöpfung. Trotz allem war der Tag nicht so abgelaufen, wie ich es mir vorgestellt hatte, und ich hatte eine beinahe durchwachte Nacht und jede Menge Aufregung (vorsichtig
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