Der Hexer und die Henkerstochter
Kopf und wischte sich die Hände an seiner abgeschabten Lederschürze ab. »Zwei Rosenkränze in der Altenstadter Basilika hätten allemal gelangt. Für jedes Balg einen.«
»Der Herrgott hat es gut mit uns gemeint, und wir sollten ihm danken«, mahnte seine Frau. »Auch dir selbst würde eine Wallfahrt nicht schaden, bei all dem Blut der Hingerichteten, das an deinen Fingern klebt.«
»Wenn’s an mir klebt, dann auch an jedem einzelnen der gottverdammten Schongauer Ratsherren«, knurrte Kuisl. »Bis jetzt war ich ihnen zum Aufhängen der Diebe und Mörder immer noch gut genug.«
»Das mach allein mit dem Heiland aus.« Anna-Maria hustete ein weiteres Mal und schloss müde die Augen. »Mir ist heut nicht wohl genug, um mit dir zu streiten.«
Draußen waren plötzlich Schritte zu hören. Kurz darauf pochte es energisch an die Tür. Als Jakob Kuisl öffnete, stand vor ihm die Hebamme Martha Stechlin, an jeder Hand einen der beiden greinenden Enkel.
»Bist du noch ganz bei Trost, Kuisl? Ich hab die beiden unten am Weiher …«, begann sie. Doch dann fiel ihr Blick auf das rot befleckte Hemd des Henkers, und sie stieß einen Schrei aus. »Mein Gott!«, rief sie. »Bringst jetzt schon die Leut in der eigenen Stube um?«
»Schmarren.« Der Henker fuhr verlegen durch seine schwarzen Haare, in denen sich die ersten weißen Strähnen zeigten. »Kirschsaft ist’s. Die beiden Bälger haben den Kompotttopf umgeworfen, und ich hab sie deshalb rausgeschmissen.«
Martha Stechlin lachte kurz, doch dann wurden ihre Augen schmal. »Du darfst die Kleinen nicht allein draußen lassen!«, schimpfte sie. »Denk an den Huber-Buben, der erst dieses Frühjahr im Lech ertrunken ist. Und dem kleinen Hans vom Altenstadter Wirt hat neulich ein Fuhrwerk die Glieder zerschmettert. Dass ihr Mannsbilder auch immer so vernagelt sein müsst! Rindviecher, damische!«
Jakob Kuisl schloss die Augen und stöhnte leise. Martha Stechlin war neben seiner Frau und seiner Tochter der einzige Mensch, der so mit dem Schongauer Henker reden durfte. Meistens brachte die Hebamme dem Henker ein paar Kräuter vorbei und nahm dafür ein wenig zerriebenen Stechapfel oder ein paar Unzen Menschenfett für ihre Patientinnen mit – oder sie blätterte in Kuisls Arzneibüchern. Die medizinische Bibliothek des Henkers und seine Heilkünste waren weit über die Grenzen der Stadt hinaus berühmt.
»Ist das alles, weshalb du gekommen bist?«, knurrte Kuisl Martha Stechlin wütend an. »Um mich wie ein Waschweib anzukeifen?«
»Schafskopf! Wegen deiner kranken Frau bin ich da, weshalb sonst?« Sie schob die beiden jammernden Buben in die Stube und löste einen zerschlissenen Lederbeutel von ihrem Rock. »Bärlapp, Schafgarbe und Johanniskraut hab ich dabei, um ihr Fieber zu senken.«
»Johanniskraut hab ich selber«, brummte der Henker. »Aber bittschön. Hilfe ist immer willkommen.«
Er machte ihr Platz, und die Stechlin ging hinüber in die Kammer, wo Anna-Maria Kuisl mit geschlossenen Augen lag. Offensichtlich war sie mittlerweile wieder eingeschlafen. Während die Hebamme das fieberheiße Gesicht ihrer Patientin mit einem nassen Lappen kühlte, richtete sie das Wort an Jakob Kuisl. »Wo sind überhaupt deine beiden Großen? Wenigstens die Barbara könnte doch auf ihre Neffen achtgeben.«
Brummend setzte sich der Henker zurück an den Tisch und fuhr fort, die Kräuter im Mörser klein zu stoßen. Seine Bewegungen waren gleichmäßig und routiniert.
»Die Barbara hab ich in den Wald zum Melissesammeln geschickt«, murrte er. »Bei Gott, meine Frau ist nicht die Einzige mit Fieber in der Stadt, die Leut rennen mir schier die Tür ein! Und der Georg putzt den Schinderkarren, der starrt vor Dreck und Blut.« Kuisl zerrieb ein paar trockene Kräuter zwischen seinen schwieligen Fingern und ließ sie nachdenklich in den Mörser rieseln. »Jedenfalls soll er das. Wenn ich den Burschen noch einmal beim Rumlungern unten am Lech erwische, setzt’s eine Tracht Prügel, an die er noch lange denkt.«
Martha Stechlin lächelte milde. »Ach, Jakob«, erwiderte sie. »Der Bub ist dreizehn. Da hat man anderes im Kopf als Fegen und Putzen. Denk doch an deine eigene Jugend. Was hast du mit dreizehn gemacht?«
»Ich bin in den Krieg gezogen und hab den Schweden den Bauch aufgeschlitzt. Ich hatte keine Zeit für Flausen.«
Eine peinliche Pause entstand, in der keiner etwas sagte.
»So oder so, du solltest deine Enkel wirklich nicht allein draußen lassen«, fuhr Martha
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