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Der Hexer und die Henkerstochter

Der Hexer und die Henkerstochter

Titel: Der Hexer und die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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sintflut­artigen Regenschauern und Hagel über das Alpenvorland gerauscht und hatten die ohnehin nur spärlich wachsenden Ähren niedergedrückt. Die Menschen beteten zum Herrgott, dass die nächsten Monate trockener würden. Den kommenden Winter konnten nur diejenigen überstehen, deren Speicher reichlich mit Korn gefüllt waren.
    Der Weg führte zunächst hinter einer Scheune am Ortsrand vorbei und stieg dann steil an, hinauf zum Kloster. Hinter einer niedrigen Mauer erstreckte sich eine gewaltige Anlage mit den unterschiedlichsten Gebäuden. Zur Rechten lagen einige Stadel, die von Apfel- und Zwetschgenbäumen gesäumt waren. Links der breiten schlammigen Gasse duckten sich einige Holzhäuser, aus deren Schornsteinen dicker weißer Rauch quoll. In einem nach vorne offenen Verschlag hämmerte ein Schmied mit lautem Klirren auf einen Amboss ein. Es folgten ein niedriges, nach frischem Brot duftendes Backhaus, eine weiß getünchte Weintaverne und ein großer, mehrstöckiger Steinbau, bevor endlich die Mauern des inneren Klosters auftauchten – ein verwinkeltes Labyrinth, an dessen höchster Stelle die Kirche thronte.
    Simon erblickte etliche einfach gekleidete Wallfahrer mit Pilgerstäben, die in Gruppen singend und betend dem Kloster zustrebten. Entweder wollten sie der Kirche einen frühen Besuch abstatten, oder sie hofften einfach nur auf ein kos­tenloses Frühstück. Auch einige Benediktinermönche mit schwarzen Kutten waren darunter. Andere Patres arbeiteten mit dreckverschmierten Händen in den umliegenden Ge­müsegärten oder schoben mit Fässern beladene Fuhrwerke durch die schmale obere Klosterpforte. Simon hielt einen von ihnen auf und fragte nach Frater Johannes.
    »Der Apotheker?« Der Mönch sah ihn grinsend an. »Wie ich den hässlichen Burschen kenne, liegt er in seinem Bett und schnarcht zum Gotterbarmen. War schon bei der morgend­lichen Laudes nicht da. Na, das wird Ärger geben mit dem Abt. Aber du kannst gern dein Glück ver­suchen.« Er deutete nach unten auf ein kleines unscheinbares Häuschen neben den Stadeln. »Klopf aber besser fest an. Sonst schläft er bis zur Mittagsvesper.«
    Kurz darauf stand Simon vor dem Apothekerhaus unterhalb des Klosters. Es war ein niedriges Gebäude mit schma­len Fenstern und einer Tür aus dickem Eichenholz. Der Medicus wollte schon klopfen, als er von drinnen laute Stimmen vernahm. Es waren zwei Männer, die ganz offensichtlich heftig miteinander stritten. Nur gedämpfte Laute drangen nach draußen. Simon wartete unschlüssig vor dem Haus, als die Stimmen plötzlich näher kamen, dicht gefolgt von einem Scheppern.
    Im nächsten Augenblick öffnete sich mit lautem Krachen die Tür, und ein schmächtiger, schwarz gewandeter Benediktiner stapfte nach draußen. Zornig schüttelte er seinen hochroten Kopf; die rechte Hand umklammerte einen mit Elfenbein verzierten Gehstock, mit dem er wie mit einem Degen wild in der Luft herumfuchtelte. Simon bemerkte, dass der Mönch unter seiner Kutte einen kleinen Buckel hatte und ein Bein nachzog. Gebeugt humpelte der Krüppel von dannen, ein zorniges, mitleiderregendes Männlein, das bald hinter den Apfelbäumen verschwunden war.
    Simon war von dem Anblick so gefesselt, dass er erst mit einiger Verzögerung bemerkte, wie jemand hinter ihn trat. Als er sich umdrehte, sah er direkt in die hässliche Fratze des Apothekers.
    »Ja?«, brummte Frater Johannes, der mit argwöhnischem Blick in der Tür stand. Der Mönch wirkte ängstlich und gehetzt, sein aufgedunsenes Gesicht war blass wie fahles Mondlicht. Auch ihn hatte der Streit ganz offensichtlich heftig aufgeregt. Endlich blitzte ein Ausdruck des Erkennens in seinen Augen auf.
    »Bei der lieben Jungfrau!«, rief er überrascht. »Einer der verirrten Schongauer von gestern Nacht, nicht wahr? Hört zu, wenn ihr euch bedanken wollt, ist das ein schlechter Zeitpunkt. Ich schlage vor, ihr kommt …«
    »Meine Frau ist krank, und ich brauche dringend Anis und Gänsefingerkraut«, unterbrach ihn Simon leise. »Außerdem noch ein paar andere Kräuter. Könnt Ihr mir aushelfen?«
    Kurz schien der Mönch versucht, dem ungebetenen Gast eine Abfuhr zu erteilen, doch dann überlegte er es sich offensichtlich anders. »Was soll’s«, knurrte er. »Ich muss es ohnehin gleich dem Abt melden. Dann kann das Getratsche ja auch jetzt schon anfangen.«
    »Welches Getratsche?«, wollte Simon wissen. »Geht es um den Streit, den Ihr gerade mit Eurem Mitbruder hattet? Nicht, dass ich etwas

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