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Der Hexer und die Henkerstochter

Der Hexer und die Henkerstochter

Titel: Der Hexer und die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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Stechlin schließlich fort. »Unten am Weiher hab ich zwei von den Berchtholdt-Buben herumlungern sehen. Wenn ich du wär, dann wär ich schon ein wenig vorsichtiger.«
    Jakob Kuisl hieb den schweren Stößel in den Mörser und setzte mürrisch seine Arbeit von vorher fort. »Wie meinst du das?«
    »Wie ich das meine?« Martha Stechlin lachte leise. »Das weißt du nur zu gut. Seitdem du den Ältesten der Bercht­holdts vor ein paar Wochen im Stadl bei den Kornsäcken ertappt hast, haben sie blutige Rache geschworen.«
    »Ich hab ihm nur gesagt, dass das nicht sein Korn ist und er gefälligst die Finger davon lassen soll.«
    »Und dafür musstest du ihm gleich zwei seiner Finger brechen?«
    Der Henker grinste. »So wird der Sauhund es sich wenigstens merken. Hätt ich’s dem Rat erzählt, die hohen Herren hätten ihn zu Rute und Schandgeige verurteilt. Im Grunde hab ich mich damit um meinen eigenen Lohn gebracht.«
    Martha Stechlin seufzte. »Sei’s drum. Jedenfalls solltest du dich vorsehen. Schon allein der Kinder wegen.« Sie sah ihn ernst an. »Ich hab die Blicke dieser Burschen gesehen, Jakob. Die waren bös wie die Augen Luzifers.«
    »Kreuzhimmelsakrament!«
    Der Henker hieb den Stößel so fest in den Mörser, dass seine beiden Enkel erschrocken von ihrem Spiel aufsahen. Sie kannten ihren Großvater und wussten, dass er laut und zornig werden konnte. Jetzt schien er besonders zornig, und es war besser, ganz still zu sein.
    »Drecksbande allesamt, diese Berchtholdts!«, knurrte Jakob Kuisl. »Nur weil ihr Vater bis zu seinem Tod als Bäckermeister im Rat saß, glauben sie nun, sie könnten sich alles erlauben. Und unsereins soll den Dreck von den Gassen karren und hübsch das Maul halten! Aber damit ist jetzt Schluss! Wenn ich den Hundling von Berchtholdt noch einmal unten beim Stadl erwische, brech ich ihm nicht zwei Finger, sondern gleich beide Hände. Und wenn er meine Enkel anrührt …«
    Seine Stimme stockte. Der Henker ballte die Hände zu Fäusten und ließ die Knochen knacken, während ihn seine Enkel immer noch schweigend anstarrten.
    »Wenn die Berchtholdts meinen Enkeln auch nur ein Haar krümmen«, fuhr er leise fort, und seine Stimme klang so schneidend wie eine rasiermesserscharfe Klinge, »dann zerschmetter ich ihnen jeden Knochen einzeln mit dem ­Wagenrad, schlitz ihnen den Bauch auf und häng ihre Gedärme zum Fenster der Schongauer Fronveste hinaus. So wahr ich Jakob Kuisl heiße.«
    Als er die angstgeweiteten Augen der beiden Buben sah, veränderte sich sein Gesicht, und ein gütiges Lächeln breitete sich von einem Mundwinkel zum anderen aus.
    »Und wer von euch zwei Hosenscheißern will jetzt mit seinem Großvater Hoppereiter spielen?«
    *
    Simon wachte auf durch ein Keuchen direkt neben ihm. Als er sich auf dem piksenden, flohverseuchten Stroh­lager umdrehte, sah er in das blasse Gesicht Magdalenas. Mit dem Handrücken wischte sie sich eben über den Mund.
    »Verfluchtes Leibgrimmen«, ächzte die Henkerstochter. »Seit Tagen ist mir schon ganz flau im Bauch.« Sie versuchte aufzustehen, sank aber sofort wieder stöhnend auf die Ofenbank. »Und ein bisserl schwindlig ist mir auch.«
    »Kein Wunder, bei dem Qualm hier herin.« Simon hustete und blinzelte hinüber zu der angelehnten Stubentür, durch deren Ritzen schwarze Rauchwolken quollen. »Dein verlauster Vetter kann sich ja nicht mal einen anständigen Kachelofen leisten. Was müssen wir auch bei einem dahergelaufenen Schinder nächtigen, nur weil der zufällig der Vetter deines Vaters …«
    »Pst!« Magdalena hielt den Finger vor die Lippen, als Michael Graetz die Stube betrat. Der Erlinger Abdecker war ein dünner, schwindsüchtiger Mann, von dem keiner vermutet hätte, dass er, wenn auch nur über drei Ecken, mit dem robusten Schongauer Henker verwandt war. Sein Hemd war zerrissen und dreckig vom Ruß, der Bart zerzaust, und die Zähne glänzten in dem ausgemergelten Gesicht wie schwarze Kohlestücke. Nur seine Augen leuchteten hell und freundlich, als er seinen beiden Gästen jeweils eine dampfende Holzschüssel hinhielt.
    »Hier, esst«, brummte er und versuchte ein schiefes Lächeln. »Gerstenbrei, gesüßt mit Honig und Birnenkletzen. Gibt’s nur an Festtagen, und wenn meine liebe Base mich besuchen kommt.«
    »Hab Dank, Michael. Aber ich glaub, ich krieg so früh noch nichts runter.« Fröstelnd nahm Magdalena die Schüssel entgegen und wärmte sich ihre Hände. Es war kurz nach Sonnenaufgang, vor den geöffneten

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