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Der Hexer und die Henkerstochter

Der Hexer und die Henkerstochter

Titel: Der Hexer und die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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Bruders.« Maurus Rambeck stand auf und nahm Magdalena bei der Hand. »Kommt mit, ich werde Euch etwas zeigen, was auch den Kindern gefallen dürfte.«
    Sie wandelten gemeinsam durch das Labyrinth der Rankgitter und Mäuerchen, bis sie plötzlich vor einer kleinen Grotte standen. Sie befand sich genau an der Stelle, wo die Felsen an den Garten heranreichten. Im Dunkel der Höhle konnte Magdalena ein weiteres Becken erkennen. Etwa ein Dutzend brusthohe Marmorstatuetten standen am Rand des Bassins. Ebenso wie der Faun waren sie auf eine seltsame Art anders, sie schienen nicht zur Kulisse eines Klosters zu passen. Eine Figur trug einen Dreizack in der Hand, eine andere einen Blitz, daneben gab es auch schöne Frauen, die Spiegel oder einen Jagdspeer trugen.
    »Die alten griechischen Götter«, erklärte Maurus Rambeck. »Natürlich gibt es sie nicht, doch sie dienen unserem Garten als Zierde. Virgilius hat diese Grotte entworfen, ebenso wie den Faun und noch ein paar weitere Apparaturen in unserem kleinen verwunschenen Kräutergarten. Alles nach den Bauplänen längst verstorbener Gelehrter.« Er beugte sich zu Magdalena. »Es gibt Leute, die behaupten, die Menschheit sei damals in der Heilkunde, aber auch in den übrigen Wissenschaften viel weiter gewesen. Für Virgilius war es das Schönste, hier in der Abgeschiedenheit seiner Leidenschaft nachzugehen – dem Automatenbau. Seht selbst.«
    In einer Nische der Grotte zog der Abt einen versteckten eisernen Hebel, und wie durch Magie begannen die Figuren, sich auf einem unsichtbaren Band um das Becken zu drehen. Dazu ertönte leise die Musik eines Glockenspiels. Die Kinder lachten und deuteten mit ihren Fingerchen auf das Schauspiel, nur Magdalena verspürte eine seltsame Beklemmung. Erst nach einer Weile wusste sie, was sie ängstigte.
    »Das ist die Musik, die ich in der Nacht gehört habe!«, rief sie erschrocken aus. »Die Musik, die erklang, als mich unten an der Klostermauer jemand niederschießen wollte!«
    »Niederschießen?« Der Abt sah sie erstaunt an.
    »Dieser Hexer, oder was auch immer er ist. Er hat bereits ein paarmal versucht, mich aus dem Weg zu räumen.«
    In kurzen Worten erklärte Magdalena Pater Maurus, was sie in den letzten Tagen erlebt hatte. Als sie fertig war, sah der Andechser Abt sie skeptisch an.
    »Und Ihr glaubt wirklich, dass das derselbe Mann war, der auch meinen Bruder entführt hat?«
    Magdalena nickte, während sie noch immer dem Glockenspiel lauschte. »Derselbe Mann – wenn wir auch noch nicht wissen, wofür er diese Hostien braucht.« Sie zögerte. »Oder dasselbe Wesen.« Magdalena musste an ihr Gespräch mit ihrem Vater und Simon auf dem Friedhof heute Morgen denken. Vielleicht war es ja wirklich ein Golem oder irgendein belebter Automat, der im Kloster sein Unwesen trieb. Schließlich hakte sie nach: »Euer Bruder hat sich wohl sehr für Automaten interessiert?« Die Henkerstochter deutete auf die sich im Kreis drehenden Statuen. »All das hier, und dann diese Puppe bei ihm zu Hause! Was haben eigentlich seine Mitbrüder dazu gesagt?«
    Der Abt lächelte. »Man duldet den Teufel, solange er für das eigene Wohl sorgt, nicht wahr? Virgilius hat viel für das Kloster getan. Er hat für fließendes Wasser in den einzelnen Kemenaten gesorgt, hat einen Ofen gebaut, der die meisten Räume beheizt. Sein Glockenspiel und seine drehenden Figuren haben oft die düsteren Tage hier erhellt.« Rambecks Blick ging ins Leere. »In letzter Zeit begann er sich dann für Blitze zu begeistern«, murmelte er. »Frater Johannes hat wohl in dieser Hinsicht einige Forschungen angestellt, über die sie sich austauschten. Unglücklicherweise schlug genau zu diesem Zeitpunkt einmal mehr der Blitz in den Kirchturm ein.«
    »Äh, ich weiß«, erwiderte Magdalena. »Ein wirklich dummer Zufall. Schade, dass es gegen Blitzschlag noch kein Mittel gibt.« Sie erinnerte sich daran, was ihr Vater von dem Gespräch mit Nepomuk erzählt hatte, beschloss aber dar­über zu schweigen, um den Apothekermönch nicht noch mehr zu belasten.
    Der Abt seufzte. »Bestimmt wüsste Virgilius auch dafür eine Lösung.«
    Magdalena bemühte sich, das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken. »Hatte er denn als Uhrmacher einen Feind im Kloster?«
    »Einen?« Maurus Rambeck lachte leise. »Der Aberglaube ist unter Mönchen eine weitverbreitete Krankheit, müsst Ihr wissen. Solange ich hier im Kloster war, habe ich versucht, Virgilius davor zu schützen. Aber hinter seinem

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