Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hexer und die Henkerstochter

Der Hexer und die Henkerstochter

Titel: Der Hexer und die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
Vom Netzwerk:
Rücken haben sie sich schon damals die Mäuler zerrissen. Vor allem Pater Eckhart, unser jetziger Cellerar. Für den ist selbst eine simple Turmuhr Teufelszeug.« Er runzelte die Stirn. »Später, als ich erneut nach Salzburg an die Universität ging, war es merkwürdigerweise vor allem unser Bibliothekar, der ihm hier das Leben schwermachte. Obwohl der es eigentlich besser wissen müsste. So viel wie Bruder Benedikt in seinem langen Leben schon gelesen hat.«
    Von der Kirche her schlug die Glocke elf Uhr vormittags. Pater Maurus schlug sich an die Stirn. »Ich Narr! Vertändel hier meine Zeit, während meine Mitbrüder auf mich warten! Ich muss sofort hinüber in die Sakristei, um die Liturgie vorzubereiten.«
    Noch einmal bemühte er sich um ein Lächeln. »Solange ich Abt bin, werde ich dafür sorgen, dass alles seinen gewohnten Gang geht. Keiner soll mir später nachsagen, ich sei ein schlechter Vorsteher gewesen.«
    »Und was ist mit den Hostien und der Monstranz?«, hakte Magdalena nach. »Wenn die Reliquie nicht bis zum Fest zurück ist …«
    »Die Reliquie wird zurück sein«, unterbrach sie der Abt, »und wenn nicht diese, dann eben eine andere Monstranz und andere Hostien. Es ist der Glaube, der all diese Dinge zu Heiltümern werden lässt, nicht wahr? Glaube, Liebe, Hoffnung – das sind seit jeher die christlichen Tugenden, an denen wir uns festhalten sollten.«
    »Das heißt, das Dreihostienfest wird übermorgen auf alle Fälle stattfinden?«, fragte Magdalena.
    Pater Maurus sah sie verwundert an. »Natürlich. Es hat noch immer stattgefunden. Wir können all die gläubigen Men­schen doch nicht enttäuschen.« Er seufzte. »Wobei ich selbst diesmal wohl nicht die Messe leiten werde. Der Weilheimer Landrichter hat mir zu verstehen gegeben, dass er es begrüßen würde, wenn in Zukunft Pater Jeremias mehr Verantwortung im Kloster übernimmt.« Achselzuckend wandte er sich ab. »Aber im Grunde ist mir das nur recht. Solange das Schicksal meines Bruders nicht geklärt ist, bin ich ohnehin nicht ganz bei der Sache.«
    Er zog einen weiteren versteckten Hebel im Gemäuer, und quietschend blieben die kleinen Statuen stehen. Auch die Musik hörte schlagartig auf.
    »Ich muss Euch jetzt bitten zu gehen«, sagte der Abt.
    Maurus Rambeck schritt voraus und winkte Magdalena und den Kindern, ihm zu folgen. »Bleibt besser hinter mir. Der Garten ist zwar klein, aber trotzdem wie ein Labyrinth.«
    Sie gingen vorbei an den bewachsenen Rankgittern und sonnenbeschienenen Mäuerchen, bis sie wieder zum Gatter kamen.
    »Es hat mich gefreut, Eure Bekanntschaft gemacht zu haben, Henkerstochter«, sagte Pater Maurus, wobei er in Gedanken schon ganz weit weg zu sein schien. »Vielleicht können wir das nächste Mal ja ein wenig länger hier im Garten plaudern. Nicht über so düstere Dinge, sondern nur über Kräuter und Arzneien.«
    Magdalena verbeugte sich förmlich. »Wer weiß, vielleicht ja dann gemeinsam mit Eurem Bruder?«
    Der Abt lächelte, sein Blick jedoch ging ins Leere. »Wer weiß? Ich werde dafür beten.« Er zog einen schweren Schlüssel hervor und verschloss das Gatter. Dann wandte er sich schweigend ab und ging durch die blühenden Blumenwiesen auf das Kloster zu.
    Magdalena sah ihm noch lange nach, bis seine gramgebeugte Gestalt schließlich im Schatten des Kirchturms verschwand.

Freitag, der 18. Juni Anno Domini 1666,
mittags in Andechs
    ie Kutte kratzte und juckte, und Jakob Kuisl glaubte, darin den Schweiß von mindestens einem Dutzend fetter Mönche zu riechen. Trotzdem zog er sich die Kapuze über, während er den Weg zum Klosterbau hinüberstapfte. Er hatte sich unten im Schinderhaus umgezogen, war aber gleich darauf wieder auf den Heiligen Berg zurückgekehrt. Die vielen Wallfahrer, die mittlerweile Erling und die umliegenden Ortschaften bevölkerten, machten ihm bereitwillig Platz, und nur die wenigsten wunderten sich, war­um der Franziskaner so unchristlich fluchte.
    Der Henker wusste nicht, wonach er oben im Kloster suchen sollte. Aber die Zeit drängte. Vermutlich würden sie schon heute in Weilheim mit der ersten Befragung seines Freundes anfangen. Bis zum Scheiterhaufen war es dann nicht mehr weit. Wenn er nicht bald irgendeine Spur entdeckte, die ihn zum wahren Hexer führte, würde der unschuldige Nepomuk einen grausamen, sehr schmerzvollen Tod sterben.
    Oben angekommen, sah Kuisl, dass wohl schon bald eine weitere Messe begann. Jetzt, so kurz vor dem Dreihostienfest, gab es täglich bis

Weitere Kostenlose Bücher