Der Hexer und die Henkerstochter
Augen zu verlieren. Auch wenn dieser Garten wie ein Paradies auf Erden wirkte, so wusste sie doch, dass auch in diesem Paradies verbotene Früchte wuchsen. Viele der Pflanzen hier waren hochgiftig und wurden nur in kleinen Dosen als Arznei eingesetzt.
Schritt für Schritt tauchte sie tiefer in den Garten ein. Der stumme Matthias war ihr nicht gefolgt; offenbar schien ihm irgendetwas hier Angst zu machen, auch wenn sie partout nicht wusste, was das sein konnte. Aber vielleicht hatte er auch einfach nur Respekt vor den Mönchen, die offenbar mit Argusaugen über ihren Klostergarten wachten.
Genau in der Mitte der Anlage erwartete Magdalena eine Überraschung.
Verborgen hinter Rosenstöcken befand sich ein steinernes Wasserbecken, das von vier Bänken umringt war. Im Becken selbst stand die mannsgroße marmorne Figur eines Fabelwesens. Die Statue stellte einen bärtigen Mann mit Bocksfuß und Hörnern dar, der den Mund spöttisch gespitzt hatte und eben im Begriff zu sein schien, auf einer seltsamen Flöte zu blasen. Mit toten Augen blickte er hinüber zum Wald, dorthin, wo die Felsen an den Garten heranreichten.
Magdalena setzte sich auf eine der Bänke und betrachtete staunend die Statue. So etwas hatte sie noch nie gesehen. Das Wesen sah ein wenig aus wie einer der Teufel auf den abschreckenden Höllenbildern in den Kirchen des Pfaffenwinkels. Aber im Gegensatz zu diesen wirkte diese Figur fast freundlich, sie lächelte schelmisch. Was in aller Welt hatte eine solche Statue in einem Kloster verloren?
Plötzlich stutzte die Henkerstochter. Es war sicher nur eine Einbildung, trotzdem kam es ihr kurz so vor, als hätte sich der Kopf der Statue ein klein wenig in ihre Richtung bewegt. Das Lächeln des Fabelwesens erschien ihr mit einem Mal nicht mehr so freundlich, sondern eher koboldhaft, so als sänne es über einen bösen Streich nach.
Und dann war sich Magdalena mit einem Mal sicher – das Haupt der Statue drehte sich!
Der steinerne Teufel wandte ihr sein Gesicht zu. Langsam, aber unerbittlich nahm sein Blick sie gefangen, fast so, als wollte er ihr etwas sagen. Hatte sich sein Mund nicht sogar ein wenig geöffnet? Wie erstarrt saß Magdalena auf ihrer Bank, in Erwartung, dass das Wesen plötzlich zu sprechen anfing.
Im nächsten Augenblick schoss ein fingerdünner Wasserstrahl aus dem Mund des Teufels und traf sie direkt ins Gesicht.
Schreiend fiel Magdalena rücklings von der Bank. Die Kinder blickten sich erschrocken zu ihr um. Magdalenas Mieder war klitschnass, ihr Hintern schmerzte vom jähen Sturz ins Kräuterbeet, doch ansonsten schien sie unverletzt.
»Es tut mir leid. Ich wollte Euch wirklich nicht so sehr erschrecken«, erklang mit einem Mal eine Stimme von irgendwoher hinter den Rankgittern. »Aber die Versuchung war einfach zu groß. Mein Bruder hatte immer großen Spaß an dieser Vorführung.«
Magdalena drehte sich zu der Stimme um – und sah keinen Geringeren als den Abt zwischen den Gittern hervortreten.
»Aber Hochwürden«, begann sie stockend. »Ich meine … wieso …«
»Ich kam hierher, um ein wenig nachzudenken«, unterbrach sie der Abt lächelnd. »Über mich und meinen Bruder. Eigentlich ist dieser Garten ja für Wallfahrer verboten. Wer dennoch eintritt, der muss sich eben auf so manche Überraschung einstellen.«
Mittlerweile hatte sich Magdalena wieder ein wenig gefangen. Sie rückte ihr nasses Mieder zurecht und nahm zusammen mit ihren Kindern wieder auf der Steinbank Platz.
»Verzeiht«, sagte sie verlegen. »Aber als Hebamme wollte ich einfach wissen, welche Kräuter in Eurem Garten wachsen. Ich muss schon sagen, ich bin beeindruckt.«
Der Abt schmunzelte. »Von was? Von den Kräutern oder von unserem Faun?«
»Faun?«, fragte Magdalena ratlos.
Maurus Rambeck deutete auf die Statue mit den Hörnern und dem Bocksfuß. »So nannten die Römer früher dieses Wesen. Ein wilder Mann im Wald, der den Rausch und den Tanz liebt. Es gibt Leute, die ihn mit unserem Teufel gleichsetzen. Aber das ist natürlich Unsinn.« Er setzte sich neben Magdalena auf die Bank. »Mein Bruder hat ihn über die Alpen hierherbringen lassen und ein wenig, nun ja … verändert.«
Er zwinkerte Magdalena zu. »Der Kopf lässt sich über eine Apparatur in alle Richtungen bewegen, das Wasserspucken wird mittels eines komplizierten Pumpsystems in Gang gesetzt. Aber Genaueres dürft Ihr mich dazu nicht fragen. Solche Art von Wasserspielen war immer ein Steckenpferd meines
Weitere Kostenlose Bücher