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Der Hexer und die Henkerstochter

Der Hexer und die Henkerstochter

Titel: Der Hexer und die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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müssen.«
    »Ihr?« Simon sah sein Gegenüber skeptisch an. »Ein Ratsherr als Badergehilfe?«
    »Bevor ich fünfmal betend um die Kirche laufe, verrichte ich lieber im Hospital Gottes Werk«, erwiderte Schreevogl trocken. »Und hat Eure Frau nicht selbst gesagt, im Grunde sei das Heilen nicht allzu schwierig? Mittlerweile habe ich sogar Geschmack daran gefunden. Man kommt sich, nun ja …«, er zögerte, bis er das passende Wort gefunden hatte, »man kommt sich gebraucht vor. Jedenfalls mehr, als wenn man in Hinterzimmern Verträge über die Lieferungen von Tongeschirr aushandelt.«
    Simon musste unwillkürlich lachen. »Da mögt Ihr recht haben. Spannender als das ist das Heilen allemal. Und ein wenig Hilfe kann ich wirklich gebrauchen.« Er gab dem Ratsherrn die Hand. »Dann auf gute Zusammenarbeit, werter Herr Bader. Wollen wir hoffen, dass dieser Alp traum so bald als möglich zu Ende geht und wir nach Schon­ gau zurückkehren können.«
    Schreevogls Lächeln erstarb plötzlich, und er schlug ein Kreuz. »Lasst uns deshalb gemeinsam zu Gott beten. Dieser Ort beherbergt fürwahr mehr Flüche, als ein einzelnes Kloster bewältigen kann.«
    Ziellos schlenderte Magdalena mit ihren beiden Kindern durch die belebten Gassen vor dem Kloster, nachdem auch ihr Vater davongeeilt war, um sich ein weiteres Mal als Mönch umzuschauen. Nur sie selbst schien keine Aufgabe zu haben. Es ärgerte sie, dass Simon so schnell das Weite gesucht hatte, auch wenn ihr klar war, dass er den Krankenbesuch beim Grafen allein machen musste. Trotzdem wünschte sie sich einmal mehr, er würde öfter bei seiner Familie sein.
    Seufzend ließ sich Magdalena von Peter zu einem der vielen Stände mit Heiligenbildchen, Kerzen und kleinen Rosenkränzen ziehen. Läden dieser Art waren in den letzten Tagen rund um den Heiligen Berg wie Pilze aus dem Boden geschossen. Zu kaufen gab es meist handtellergroße Votivtafeln für den Herrgottswinkel in der heimischen Stube, überteuerte Glasbilder des Klosters, außerdem Kerzen, Rosenkränze, schlecht gedruckte Bibelverse und etliche Fraisenketten, an denen winzige zusammengefaltete Zettel mit Bittsprüchen hingen. Magdalena erinnerte sich an ihr Gespräch mit Jakob Schreevogl vor einiger Zeit, bei dem er ihr erzählt hatte, dass sowohl der Schongauer Bürgermeister wie auch der Graf mit diesem religiösen Krims krams glänzende Geschäfte machten. Doch wenn der Sohn des Grafen wirklich so krank war wie zu befürchten, dann würden dem Wittelsbacher alle seine Geschäfte nichts ­nützen. Der Tod hatte sich mit Gulden noch nie bestechen lassen.
    Im letzten Augenblick erwischte Magdalena ihren Peter, als er gerade nach einem der Rosenkränze griff. »Himmelherrgott, lass das los!«, schimpfte sie. »Das ist nichts zum Spielen!« Gröber als beabsichtigt zog sie ihren älteren Sohn von dem Stand weg, woraufhin dieser zu plärren anfing. Auch der jüngere der Buben begann sofort zu weinen.
    »Vater! Wo ist der Vater?«, greinte Paul. »Ich will zum Vater und zum Großvater!«
    »Da muss ich dich enttäuschen«, giftete Magdalena. »Die Herren der Schöpfung sind mal wieder mit wichtigeren Dingen beschäftigt. Ihr müsst schon mit eurer Mutter vorliebnehmen.«
    Als das Weinen nicht aufhörte, griff sie entnervt in ihren Rock und holte ein paar kandierte Früchte hervor. Sofort beruhigten sich die beiden, und Magdalena ging weiter ­neben einer Schar Pilger in grauen Büßergewändern her, die sich einmal mehr betend und singend auf dem Klostervorplatz für die nächste Messe einfanden.
    Magdalena kniff die Lippen zusammen, um nicht laut zu fluchen. Sie kam sich so nutzlos vor! Es schien, als hätte jeder um sie herum eine Aufgabe, nur sie selbst war zum Kinderhüten verdammt. Hinzu kam, dass sie am Morgen erneut Übelkeit verspürt hatte. Sie hatte Simon nichts davon gesagt, um ihn nicht noch mehr zu beunruhigen. Doch heimlich hatte sie in einem polierten Kupferteller ihre Zunge betrachtet. Zu ihrer Erleichterung war diese nicht graugelb belegt gewesen. Was sie auch quälte, wenigstens schien es sich nicht um das Nervenfieber zu handeln.
    So in Gedanken versunken war Magdalena, dass sie die Hand auf ihrer Schulter erst nach einer Weile bemerkte. Erschrocken fuhr sie herum und blickte in das freundlich lächelnde Gesicht von Matthias, dem Schindergesellen. Er neigte neckisch den Kopf und zog eine Grimasse, was die Kinder mit lautem Lachen quittierten.
    Auch Magdalena musste lächeln. Die Buben schienen den

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