Der Hexer und die Henkerstochter
dieses Schwert eigentlich ist. Ein Blutsäufer, eine magische Klinge, die stöhnt und ächzt, wenn die Schlacht beginnt.
Ein Henkersschwert.
Mit der auf den Rücken geschnallten Klinge stapft er durch das Lager. Die Söldner, die ihn kennen, weichen ihm aus, manche schlagen ein Kreuz. Der Sohn des Henkers ist hier nicht gern gesehen, man achtet ihn, man respektiert ihn, aber man liebt ihn nicht.
Plötzlich spürt Jakob Blicke zwischen seinen Schulterblättern. Er dreht sich um und sieht den hässlichsten Burschen, der ihm je begegnet ist. Das Gesicht aufgequollen wie eine Schweinsblase, die Augen glubschig, der Mund schief. Wie eine fette Kröte kauert der Fremde am Lagerfeuer. Jakob braucht eine Weile, bis er erkennt, dass der andere lächelt.
»Eine schöne Klinge, fürwahr«, sagt der Bursche. Seine Stimme klingt weich und klug, sie scheint so gar nicht zum Gesicht zu passen. »Wird ein hübsches Sümmlein gekostet haben. Oder hast sie gestohlen, na?«
»Was geht’s dich an?«, brummt Jakob. Er will sich schon abwenden, als der andere hinter sich greift und unter ein paar Lumpen sein eigenes Schwert hervorzieht. Es ist ein fast eineinhalb Schritt langer Bihänder, ohne Spitze, mit Blutrinne und kurzer Parierstange, es ähnelt auf fast unheimliche Weise dem Schwert Jakobs.
»Hab die Klinge von meinem Vater geerbt, den der Teufel geholt hat«, sagt der Hässliche grinsend. »In Reutlingen, wo ich herkomm, sagt man, sie schreit nach Blut am Tag der Hinrichtung. Aber seit ich ein kleiner Bub bin, hab ich sie noch nie schreien hören. Schreien tun immer nur die anderen.«
Jakob lacht leise. Es ist das erste Mal seit langem.
»Jetzt werden die Reutlinger ihre Drecksarbeit wohl alleine machen müssen«, knurrt er. »Geschieht ihnen ganz recht, den fetten Pfeffersäcken.«
Als der Hässliche nickt und mit seinen Patschhänden andächtig über die frisch geschärfte Klinge streift, weiß Jakob, dass er einen Freund fürs Leben gefunden hat.
Der Schongauer Scharfrichter warf einen Stein in den Weiher. Kleine Wellen breiteten sich ringförmig aus, und das Bild im Wasser verschwand. Mit klopfendem Herzen stand Kuisl auf und machte sich auf den Heimweg.
Es war nicht gut, zu viele alte Erinnerungen zu wecken.
*
Eine ganze Weile starrte Magdalena den Mönch in der Andechser Kerkerzelle ungläubig an.
»Ihr … Ihr kennt meinen Vater?«, fragte sie schließlich.
Frater Johannes kniete noch immer vor ihr. Jetzt schlug er ein Kreuz und richtete sich schwerfällig auf.
»Sagen wir, ich kannte ihn«, murmelte er. »Besser als meinen eigenen Bruder. Doch dass er wieder Scharfrichter in Schongau geworden ist, das wusste ich nicht. Wir haben uns vor über dreißig Jahren aus den Augen verloren.« Er lachte und hob die Hände zum Himmel. »Es ist ein Wunder, dass ich nun seine Tochter treffe! Vielleicht wird doch noch alles gut.«
Magdalena blickte ihn skeptisch an. »Selbst wenn Ihr ihn kanntet, warum soll jetzt alles gut werden? Wie könnte Euch mein Vater helfen?«
»Du hast recht.« Frater Johannes seufzte und kauerte sich wieder in seine Ecke. »Wahrscheinlich brenne ich schon bald auf dem Scheiterhaufen. Aber wenn einer helfen kann, dann dein Vater, glaub mir. Ich nehme nicht an, dass er etwas von seinem Scharfsinn eingebüßt hat, oder?«
Magdalena musste lächeln. »Nichts von seinem Scharfsinn und auch nichts von seiner Sturköpfigkeit. War er denn schon immer so?«
»Er war der verflucht sturste Hund im ganzen Regiment. Ein großer Kämpfer und schlau wie eine ganze Horde Jesuiten.« Johannes grinste, dann fing er zu erzählen an: »Wir kannten uns seit der Schlacht von Breitenfeld. Beide waren wir Henkerssöhne und beide auf der Flucht vor unserem alten Leben. Der Krieg macht alle gleich. Gibt keinen besseren Ort, um neu anzufangen. Wir haben uns auf Anhieb verstanden.« Er lachte, und die geschwollene Lippe platzte erneut auf. Fluchend wischte er sich das Blut vom Mund. »Ich hab sehr bald die Stelle eines Rutenknechts bekommen und mich dann bis zum Profoss hochgedient, zum Scharfrichter unserer Kompanie. Dein Vater hat es trotz seines ehrlosen Stands zum Feldweibel gebracht, das ist nur wenigen einfachen Leuten gelungen. Er war so verflucht schlau, dass er beinahe jeden Diebstahl in seinem Regiment aufgeklärt hat. Jeden unerlaubten Raubzug, jede Vergewaltigung.« Das Gesicht des Fraters verdüsterte sich. »Ich durfte die armen Brüder dann aufknüpfen. Noch heute seh ich sie in meinen Träumen in
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