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Der Hexer und die Henkerstochter

Der Hexer und die Henkerstochter

Titel: Der Hexer und die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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wenn ich meinem Vater nichts davon erzähle? Kannst du dir ausmalen, was er mit dir anstellt, wenn du mich daran hinderst?«
    »Sein bester Freund?«, fragte der Medicus verdutzt. »Wie kommst du darauf?«
    In kurzen Worten berichtete Magdalena Simon vom früheren Leben des Fraters, von seiner Zeit als Kompaniescharfrichter im Krieg und von der Freundschaft zu ihrem Vater. Als sie geendet hatte, blickte der Medicus skeptisch drein.
    »Und das nimmst du ihm ab? Glaubst du nicht eher, dieser Mann greift einfach nach jedem Strohhalm?«
    »Er kannte Einzelheiten aus dem Leben meines Vaters, Simon. Er … er hat ihn besser beschrieben, als ich es könnte.« Magdalena starrte in die Ferne, wo sich über dem Ammersee ein neues Gewitter ankündigte. »Ja, ich glaube ihm.«
    »Nun gut«, lenkte Simon ein. »Vielleicht kennt er ihn tatsächlich. Aber deshalb ist er noch lange nicht unschuldig.« Er packte seine Frau fest an der Schulter. »Magdalena, alle Beweise sprechen gegen ihn! Das Okular am Tatort, der Streit mit dem Uhrmacher, seine ganze Art … Und hast du nicht selber gesagt, er habe sich merkwürdig verhalten? Denk nur an diese komischen Stangen, die er im Wald bei sich trug. Auch im Klosterrat haben sie erzählt, dass er gotteslästerliche Experimente betreibt.«
    Magdalena sah ihn erstaunt an. »Gotteslästerliche Experimente?«
    »Sie … sie haben nichts Genaues gesagt«, erwiderte Simon zögerlich. »Aber offenbar hat dein Nepomuk schon öfter Streit mit Virgilius gehabt. Dabei ging es wohl auch um irgendwelche Experimente.«
    »Diese merkwürdige Bahre und die ganzen Drähte oben im Glockenstuhl«, murmelte Magdalena. »Könnte das ein solches Experiment sein?«
    Simon zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. Die Mönche haben sich sehr bedeckt gehalten. Überhaupt ist dieser ganze Klosterrat eine Versammlung äußerst merkwürdiger Gestalten.« Er zählte an den Fingern ab. »Der Cellerar ist ein fetter Eiferer, der den Apotheker am liebsten noch heute brennen sehen will. Der Prior hat irgendwas gegen mich, und der alte Bibliothekar blieb seltsam kühl, so als wäre ihm das alles gleichgültig. Nur dem Novizenmeister ging der Tod der beiden Gehilfen nahe. Ich glaube, er hat sogar geweint. Jedenfalls waren seine Augen ganz rot.«
    Ausführlich berichtete er von dem Treffen mit den Obers ten des Klosters und von der Aufregung, die entstanden war, als die Mönche von dem verschwundenen Automaten hörten.
    »Dieser stumpfsinnige Cellerar glaubt doch tatsächlich, der Automat wäre so eine Art Golem, der nun auf dem Heiligen Berg sein Unwesen treibt!«, sagte Simon kopfschüttelnd. »Man könnte fast meinen, hier oben wäre die Zeit stehengeblieben. Dabei sind solche musizierenden Auto­maten doch mittlerweile gang und gäbe.«
    »Ein Golem?«, fragte Magdalena. »Was ist das?«
    »Ein lebloses Ding, dem ein Mensch Leben eingehaucht hat.« Simon griff gedankenverloren nach einem Stück Mauerstein und zerbröckelte ihn in der Hand. »Während meiner Studienzeit in Ingolstadt habe ich darüber mal was gelesen. ›Golem‹ ist das hebräische Wort für ›Ungeformtes‹. Einige jüdische Rabbis sollen angeblich in der Lage sein, aus Lehm einen seelenlosen Diener zu erschaffen. Da für braucht es aber sehr komplizierte Rituale.« Er schüttelte den Kopf. »Das ist natürlich Unfug, aber für starrgläubige Christen ein gefun­denes Fressen, die Juden einmal mehr zu leibhaftigen Teufeln zu erklären. Der Cellerar hatte jedenfalls fast Schaum vor dem Mund, und auch der Bibliothekar war gleich Feuer und Flamme. Wenn ich mich recht entsinne, hat er dieses Thema überhaupt erst aufgebracht.«
    »Und was, wenn einer aus dem Klosterrat etwas mit den Morden zu tun hat?«, fragte die Henkerstochter nachdenklich.
    Simon lachte verzweifelt. »Vielleicht gleich der Abt persönlich? Magdalena, gib es auf. Dieser Apotheker war es, ganz sicher! Er ist kein Hexer, das nicht. Aber bestimmt gibt es einen ganz einfachen Grund, warum er zum Mörder wurde. Wir kommen nur nicht drauf. Neid auf einen Kollegen, Rache … Wer weiß? Frater Johannes hat dir einen Floh ins Ohr gesetzt, und jetzt ist dir jedes Mittel recht, um ihn zu entlasten.«
    »Du hast nicht mit ihm geredet«, flüsterte Magdalena. »Nepomuk ist ein Getretener, einer, der immer auf der Flucht war. Er hat den Beruf des Henkers aufgegeben, weil er das Grauen nicht mehr ertragen hat. So einer bringt keine drei Menschen um. Außerdem war es nicht Nepomuk, der mich

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