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Der Hexer und die Henkerstochter

Der Hexer und die Henkerstochter

Titel: Der Hexer und die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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den Baumwipfeln zappeln. Mein Gott, wie ich das hasste!«
    Eine Zeitlang war draußen vor dem Fenster nur das Tschilpen der Spatzen zu hören.
    »Ist das der Grund, warum Ihr Mönch geworden seid?«, fragte Magdalena schließlich. »Weil Ihr das Töten nicht mehr ertragen habt?«
    Johannes nickte zögerlich. »Jakob … er … er konnte einfach besser mit dem Tod umgehen«, begann er stockend. »Er war wie ich von zu Hause geflohen, weil er kein Henker werden wollte, aber im Grunde ist er immer einer geblieben.« Abwehrend hob Johannes die Hände. »Kein Blutsäufer, das nicht. Eher ein … ein … Erzengel. Der Erzengel Michael, der mit seinem Schwert herniederkommt, um das Böse zu besiegen. Ich konnte das nicht … dieses ständige Strafen und Töten …«
    Der Frater schlug die Hände über dem Kopf zusammen, um seine Tränen zu verbergen. »Am Ende bin ich desertiert. Ohne ein Abschiedswort bin ich gegangen und jahrelang ­umhergeirrt, bis ich hier in Andechs vor über zehn Jahren eine Bleibe gefunden habe. Die Apothekerapprobation war gefälscht, aber den damaligen Abt hat das nicht gekümmert. Für Pater Maurus Friesenegger zählte nur, dass ich mich mit den Kräutern auskenne. Auch der neue, Maurus Rambeck, weiß von meiner Vergangenheit. Aber wenn die anderen davon erfahren … Ein Henker als Mönch und Apotheker!« Er lachte verzweifelt. »Was soll’s! Nun ist ohnehin alles egal.«
    Auf Knien rutschte er hinüber zu Magdalena, die dem Apotheker bislang schweigend zugehört hatte.
    »Bitte!«, stammelte er. »Du musst deinem Vater sagen, dass ich in Schwierigkeiten bin. Das ist meine einzige Hoffnung! Sag ihm … sag ihm, der hässliche Nepomuk braucht seine Hilfe.«
    »Nepomuk?« Magdalena stutzte. »Ist das Euer richtiger Name?«
    »Nepomuk Volkmar. So bin ich getauft.« Stöhnend richtete der Mönch sich auf. »Der Name ist ein Fluch, ich habe ihn bei meiner Profess zum Frater abgelegt.«
    In diesem Augenblick waren erneut Schritte zu hören. Die Tür öffnete sich quietschend, und Simon betrat den Raum. Mitfühlend sah er hinüber zu Magdalena, für den Mönch an ihrer Seite hatte er kaum einen Blick.
    »Es tut mir leid, dass es so lange gedauert hat«, sagte er achselzuckend. »Aber der Abt hatte noch ein paar Fragen. Nun ist alles geklärt.« Er lächelte. »Wir sind frei.«
    »Simon«, begann Magdalena und deutete auf Nepomuk Volkmar. »Dieser Mönch hier kennt meinen Vater. Er …«
    »Das wird ihm jetzt auch nichts mehr nutzen«, unter brach Simon rüde. »Für Andechs ist der Weilheimer Scharf richter zuständig, nicht der Schongauer.« Flüsternd fuhr er fort: »Davon abgesehen wüsste ich nicht, was dein Vater hier ausrichten könnte, außer einem schnellen, halbwegs erträglichen Tod.«
    »Simon, du verstehst nicht. Nepomuk war …«
    »Alles, was ich verstehe, ist, dass du dich gerade fröhlich mit einem mutmaßlichen Dreifachmörder unterhältst und die Wachen draußen schon ganz misstrauisch gucken«, zischte Simon. »Also lass uns jetzt bitte von hier verschwinden, bevor der Abt es sich anders überlegt und uns doch noch wegen Mitwisserschaft einsperrt.«
    Nepomuk Volkmar sah hoffnungsvoll zu Magdalena hinüber. »Du wirst deinen Vater doch benachrichtigen, ja?«, murmelte er. »Du lässt mich nicht im Stich?«
    »Ich werde …«, begann Magdalena, doch Simon zog sie schon nach draußen. Die Tür schloss sich langsam. Das Letzte, was Magdalena im Kerker sah, war das zerschlagene, flehende Gesicht des hässlichen Apothekers.
    Dann fiel die Pforte krachend zu.
    Draußen im Sonnenlicht, unter einem blauen Himmel, über den ein paar vereinzelte Schäfchenwölkchen zogen, schien die Welt eine gänzlich andere zu sein. Von fern drang das Singen von Pilgern zu ihnen hinüber, Schmetterlinge flatterten über die Wiesen am Rande des Klosters.
    Magdalena setzte sich auf ein verfallenes Mauerstück und starrte Simon zornig an. »Du hast mich nicht mal ausreden lassen!«, zischte sie. »Mach das nicht noch einmal. Ich bin nicht irgendeines deiner früheren Flitscherl. Ich bin deine Frau, merk dir das, verflucht noch mal!«
    »Magdalena, es war doch nur zu deinem Besten. Die Wachen …«
    »Jetzt hältst du mal deine Gosch’n und hörst mir zu«, unterbrach sie ihn rüde. »Dieser Mann dort drinnen ist vermutlich der beste Freund meines Vaters, und er wird, wenn nicht ein Wunder geschieht, schon bald als Hexer und Mörder gefoltert und verbrannt. Kannst du dir vorstellen, was geschieht,

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