Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hexer und die Henkerstochter

Der Hexer und die Henkerstochter

Titel: Der Hexer und die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
Vom Netzwerk:
anklagen würde, nur weil sie die Leiche gefunden hatten. Doch ganz sicher war sie sich auch nicht. Die Art, wie die beiden Mönche schreiend vom Tatort weggelaufen waren, hatte ihr gezeigt, wie aufgeheizt die Stimmung im Kloster war. Magdalena musste zugeben, dass all die merkwürdigen Vorkommnisse – der bestia­lisch ermordete Gehilfe, sein verschwundener Meister und ein ebenfalls vom Erdboden verschluckter Automat – sogar sie selbst an Teufelswerk denken ließen.
    Gerade wollte sie aufstehen, um sich ein wenig die Beine zu vertreten, als vor der Tür Schritte zu hören waren. Gleich darauf wurde der Riegel zurückgeschoben, und ein zerzauster Frater Johannes taumelte herein. Er stürzte zu Boden und blieb leblos neben ihr liegen.
    »Viel Vergnügen mit dem Weibsbild vom Bader, du Molch!«, spottete einer der beiden Männer, die mit Musketen draußen im Gang standen. »Aber lass noch was von ihr übrig. Nicht, dass du sie am Ende auffrisst wie den Uhr macher.« Gelächter ertönte, dann schloss sich krachend die Tür.
    Eine Weile war nur der keuchende Atem des Apothekers zu hören. Schließlich beugte sich Magdalena zu ihm hinunter und berührte ihn sacht an der Schulter.
    »Wie … wie geht es Euch?«, fragte sie zaghaft. »Braucht Ihr …«
    Plötzlich stemmte sich Frater Johannes hoch und starrte sie wortlos an. Mit einem leisen Schrei machte Magdalena einen Satz rückwärts. Das ohnehin schon hässliche Gesicht des Mönchs war grün und blau geschlagen, ein Auge war zu­geschwollen, von den dicken Lippen tropfte Blut auf den staubigen Boden. Johannes sah aus wie ein Untoter vom Andechser Klosterfriedhof. Er robbte in eine Ecke des Kellers und hielt sich die aufgequollene Nase.
    »Hab schon … Schlimmeres überstanden«, nuschelte er. »Und das ist nichts verglichen mit dem, was mir noch blüht. Ich weiß, was mir bevorsteht.«
    Argwöhnisch musterte Magdalena den zusammengekrümmten Mönch. Simon hatte das Okular des Apothekers am Tatort gefunden, außerdem war ihr Gatte Zeuge eines Streits zwischen Johannes und dem Uhrmacher gewesen. Sein ganzes bisheriges Verhalten machte den Apotheker verdächtig. Vermutlich war er der Mörder von zwei, wenn nicht sogar drei Menschen. Doch als Magdalena ihn nun so vor sich sah, zusammengeschlagen und blutend wie ein waidwundes Tier, überkam sie mit einem Mal Mitleid. Sie riss ein Stück ihrer Schürze ab und reichte es ihm.
    »Hier, nehmt. Man sieht ja sonst gar nichts mehr von Eurem hübschen Gesicht.«
    Johannes lächelte schwach, seine Fratze glich im Dämmerlicht der einer schlecht zusammengenähten Puppe. »Danke«, murmelte er. »Ich weiß selbst, dass ich nicht der Schönste bin.«
    »Ob Ihr deshalb auch gleich ein Mörder seid, wird sich erst zeigen.« Magdalena schob sich wieder in ihre Ecke des Raums und sah zu, wie Johannes sich das Gesicht abtupfte. Summende Fliegen versuchten, sich auf seiner blutigen Lippe niederzulassen. Johannes verscheuchte sie mit den Händen, doch sie kamen immer wieder zurück. Magdalena musste unwillkürlich an einen stoischen geprügelten Ochsen denken.
    »Du musst die Frau dieses Schongauer Baders sein«, sagte der Mönch nach einer Weile. Er sah nun wieder halbwegs menschlich aus. »Geht es dir besser? Dein Mann meinte, du würdest an Leibgrimmen leiden.«
    Magdalena lachte verzweifelt. »Danke der Nachfrage. Aber ich glaube, das ist zurzeit mein geringstes Problem.« Sie seufzte. »So wie es ausschaut, sitzen wir beide im gleichen Boot. Man verdächtigt uns des Mordes an dem Uhrmachergehilfen.«
    »Keine Sorge, du bist bald wieder frei.« Johannes winkte ab. »Die wollen mich und sonst keinen.«
    »Und? Haben Eure Ankläger recht?«, fragte Magdalena leise. »Seid Ihr ein Hexer und ein Mörder?«
    Der hässliche Mönch musterte sie lange. »Glaubst du ­allen Ernstes, ich würd es dir auf die Nase binden, wenn ich’s wirklich wäre?«, sagte er schließlich. »Und selbst wenn ich nicht der Mörder bin, aber andere dunkle Geheimnisse kenne – warum sollte ich dir davon erzählen? Wer sagt mir, dass du mich nicht verrätst?«
    Kopfschüttelnd lehnte sich Magdalena zurück an die Mauer. »Ob ich Euch verrate oder nicht, spielt ohnehin keine Rolle. Vermutlich wird man schon morgen den Landrichter rufen, dann bringt man Euch nach Weilheim in die Fragstatt. Man zeigt Euch die Instrumente, und wenn Ihr immer noch nicht redet, werdet Ihr’s spätestens dann tun, wenn die ersten Knochen knacken.«
    Frater Johannes atmete tief

Weitere Kostenlose Bücher