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Der Hexer und die Henkerstochter

Der Hexer und die Henkerstochter

Titel: Der Hexer und die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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was sie drinnen entdeckt hatten, dann fiel auch schon sein Name.
    In diesem Augenblick wusste Frater Johannes, dass es kein Zurück mehr gab. Sie würden alles herausfinden. Die Experimente, den Brand im Turm, sein früheres Leben …
    Verflucht seist du, Virgilius!
    Also war Johannes in sein Häuschen geschlichen, hatte Proviant, eine Decke und sein altes Holzkreuz zusammengerafft und war Richtung Kiental gerannt. Nun lief er durch die schmale, versteckte Schlucht, die im Volksmund Ochsengraben hieß und durch die im Großen Krieg viele Erlinger vor den Schweden geflohen waren. Gelegentlich musste Johannes mit geraffter Kutte durch den Kienbach waten, irgendwo in der Ferne hörte er Hunde bellen und ein Horn erklang. Waren sie ihm etwa schon auf den Fersen?
    Er verdrängte den Gedanken und hastete blindlings weiter. Wenn er es hinunter bis nach Mühlfeld oder Wartaweil schaffte, hatte er vielleicht eine Chance. Dann konnte er mit einem Fischer nach Dießen übersetzen und von dort aus weiter Richtung Landsberg laufen. In Landsberg hatte er Freunde, die ihm helfen konnten. Vielleicht gab es ja irgendwo ein stehendes Heer, dem er sich anschließen konnte. Leute mit seiner Erfahrung wurden immer gebraucht.
    Vor ihm wurden die Bäume nun lichter, unten im Tal konnte er bereits den See blau schimmern sehen. Das Ziel, der kleine Fischerhafen unweit des Mühlfelder Schlösschens, schien greifbar nah zu sein! Frater Johannes trat aus dem Wald, als plötzlich ein Knall ertönte. Eine Kugel zischte nur eine Handbreit an seinem Ohr vorbei. Keuchend warf sich der Mönch in den Dreck.
    »Da ist sie ja, die hässliche Kröte! Du hattest recht, er ist tatsächlich durch den Ochsengraben geflohen.«
    Ein Mann mit rauchender Muskete trat hinter den Bäu­men hervor, bald darauf tauchten ein zweiter und ein dritter auf. Alle drei waren sie erfahrene Jäger, die beim Kloster in Lohn und Brot standen. Johannes kannte sie. Im Wirtshaus tuschelten sie gelegentlich hinter seinem ­Rücken, sie mochten es nicht, wenn er in ihrem Revier Kräuter sammelte und das Wild aufscheuchte. Für sie war er ein fetter, hässlicher Pfaffe, der fraß, was eigentlich ­ihnen zustand. Ein Monstrum, ein Kinderschreck, der nur durch seine Kutte geschützt wurde.
    Heute war der Tag der Abrechnung gekommen.
    »Es heißt, du hättest drei deiner Mitbrüder auf dem Ge­wissen, du Molch«, knurrte der älteste der Männer und stupste den vor ihm liegenden Frater mit dem Fuß an. In seinen Augen glomm Jagdlust. »Mit den drei Pfaffen hast du leichtes Spiel gehabt, aber wir sind aus anderem Holz geschnitzt.« Er lachte und wandte sich an seine Freunde. »Na, was ist? Wollen wir die fette Kröte noch einmal hüpfen sehen?« Als die anderen zustimmend johlten, hielt er die Muskete nach oben und drückte ab. Ein Schwarm Spatzen flog zornig tschilpend Richtung Kloster.
    Benommen von Lärm und Angst stemmte sich Frater Johannes in die Höhe und taumelte auf ein Gerstenfeld zu. Dahinter lag der See, kleine Boote schaukelten darauf, fast konnte man das Wasser riechen. Als er zu laufen begann, tauchte am Horizont zwischen tief hängenden Wolken das Dießener Kloster auf. Rauschend bogen sich die Ähren unter seinen Schritten.
    Die Welt ist so schön , dachte er. Warum sind die Menschen darin nur so grausam? Oder lassen sie mich am Ende doch davonkommen?
    Erst als Johannes die Hunde hinter sich kläffen hörte, wusste er, dass es wirklich vorbei war.
    Magdalena kauerte auf dem Boden des staubigen Vorratskellers und sah den Fliegen zu, die im Licht der kleinen Fensterluke auf und ab schwirrten. Eine Zeitlang war sie noch zornig im Kreis gegangen, doch mittlerweile brütete sie in einer Ecke und verfluchte ihren Gatten, der sie in diese verhängnisvolle Lage gebracht hatte.
    Nachdem Simon zum Abt gebracht worden war, hatten ein paar finster dreinblickende Gesellen Magdalena schweigend abgeführt. Seitdem wartete die Henkerstochter im Keller der Klostermeierei auf ihr weiteres Schicksal. Es roch nach altem Käse und vergorener Milch, in einer Ecke stapelten sich schimmlige Regalbretter und löchrige Behälter aus Weidenrinde, ansonsten war der Raum leer. Eine massive Holztür mit einem dicken Riegel war der einzige Zugang.
    Nachdenklich fuhr sich Magdalena durch die Haare und versuchte den intensiven Geruch, der von den alten Käsekörben ausging, zu verdrängen. Sie konnte sich eigentlich nicht vorstellen, dass man sie und Simon des Mordes an dem Uhrmachergehilfen

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