Der Hexer von Sunnydale
konnte, gingen die bunten Lichter am ,Oktopus' aus und das Riesenrad kam knirschend zum Stehen. Nacheinander stellten die Mammutmaschinen auf der Mittelgasse ihren Betrieb ein, und die Lichter erloschen. Die laute Rockmusik wurde langsam ausgeblendet, und aus den Lautsprechern klang nur noch Rauschen. Sogar die Dampforgel auf dem Kettenkarussell schwieg. Die Mastspitzen blieben beleuchtet, damit die Leute den Weg hinaus leichter fanden, aber über die Kirmes senkte sich Grabesstille.
„Danke für Ihr zahlreiches Erscheinen!" tönte Lonnies Stimme über Lautsprecher. „Wir haben jeden Tag von achtzehn Uhr bis Mitternacht geöffnet. Besuchen Sie uns mal wieder!"
Zum ersten Mal an diesem Abend war es relativ still, während das Publikum gewonnene Poster, Plüschtiere und vergessene Verabredungen einsammelte und langsam dem Ausgang zustrebte. Manch einer winkte Rose zu, und sie winkte zurück. In dieser seltsamen Stadt aus Pappmache ist Rose wirklich eine Berühmtheit, dachte Willow. Wenn die Kirmes ihre Pforten schloß, war es fast, als habe Rose keine eigene Persönlichkeit mehr - wenn sie nicht gerade das Kostüm einer Stripteasetänzerin aus den fünfziger Jahren trug.
Obwohl die Schausteller irre Typen waren, hatte Buffy doch Recht - sie waren ziemlich seltsam.
Plötzlich wurde Willow von einem irrationalen Angstanfall heimgesucht, und sie wünschte, sie könnte jetzt sofort mit den anderen Besuchern zum Ausgang rennen. Doch dann sah sie Xander an, der Rose schöne Augen machte, und begriff, daß sie auf ihn aufpassen mußte. Zumindest durfte er kein verrücktes Tattoo verpaßt bekommen - wenn er mit so was nach Hause kam, würde er monatelang Hausarrest kriegen.
Jemand pfiff fröhlich vor sich hin. Willow drehte sich um und sah Lonnie daherkommen. Auch er hatte sich nach Art der Kirmesleute ausgehfein gemacht - er trug einen weißen Cowboyhut, ein prächtiges Rodeohemd, einen silberbeschlagenen Gürtel, saubere Jeans und glänzende Cowboy Stiefel. In der Hand hielt er einen schmutzigen Matchsack. Willow überlegte, ob er wohl glaubte, sie gingen auf einen Squaredance oder vielleicht zum Workout in die Turnhalle.
„Lonnie, alter Kumpel!" Xander versuchte immer, den lockeren Umgangston der Kirmesleute zu treffen. Ihre lässige Haltung kriegte er auch schon ganz gut hin, aber es würde noch Jahre dauern, bis er mit einem akzeptablen Dreitagebart aufwarten konnte. Jedesmal, wenn Willow Lonnie zu Gesicht kriegte, kam er ihr er noch behaarter vor. Irgendwie war ihr das unheimlich.
Frech legte er ihr sogleich den Arm um die schlanke Taille. „Hey, woll'n wir jetzt loslegen oder nicht?"
„Wir überlegten gerade, wohin wir gehen", erklärte Rose. „Xander hat von ein paar historischen Stätten erzählt."
„Die Wahrheit ist, unsere historischen Stätten reißen einen nicht gerade vom Hocker", warnte Xander. „Falls du nicht gerade von uralten Kanonen angeturnt wirst."
Lonnie lachte auf. „Manchmal schon."
„Was ist denn in dem Sack?" fragte Willow beiläufig. Lonnie hielt den alten Matchsack hoch. „Bloß etwas, das die Party anheizen wird. Ich zeig's euch später."
„Wißt ihr, worauf ich wirklich stehe?" fragte Rose mit einem Zwinkern in den dunklen Augen. „Auf Friedhöfe." Xander stieß ein nervöses Lachen aus. „Ehrlich? Friedhöfe?"
„Wie ich hörte, gibt's in dieser Stadt einen wirklich coolen alten Friedhof", meinte Lonnie.
„Wie war's denn mit dem alten Gerichtsgebäude?" warf Willow ein. „Ist ein klassisches Beispiel für wiedererweckten griechischen Stil."
Lonnie warf ihr einen stechenden Blick aus seinen blauen Augen zu. „Nach dem Friedhof, okay? Jetzt sind wir die Gäste, stimmt's?"
„Genau!" drückte Xander nach und warf Willow einen warnenden Blick zu. „Auf dem Friedhof ist es dunkel und ruhig - und mir ist das genau recht so!"
Hast du schon vergessen, was das letzte Mal auf diesem Friedhof geschehen ist? wollte Willow schreien. Aber sie sagte nichts. Immerhin konnten Rose und Lonnie keine Vampire sein - sie liefen im Tageslicht herum wie andere Menschen auch. Und sie tranken Rootbeer, kein Blut.
„Zum Wagen geht's hier lang", zeigte Lonnie und schob Willow zwischen der verdunkelten Geisterbahn und dem verrammelten Fahrchips-Schalter hindurch. „Xander und dein Plüschtiger müssen mit den hinteren Plätzen vorliebnehmen. Du kannst vorne neben mir sitzen."
„Okay", antwortete Willow in kläglichem Ton. Sie wollte wirklich am liebsten in die Hügel flüchten und
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