Der Highlander, der mein Herz stahl: Roman (German Edition)
Vetters auf Islay, zusammentreffen sollte, um Bericht zu erstatten und den Angriff vorzubereiten. Wenn aber das Mädchen wirklich keine Ahnung von ihren Plänen hatte, würde sie mit einem Schlag alles wissen, wenn sie Bruce sah. Wenn er sie aber andererseits zum König mitnahm, konnte er sie umso eher aus seiner Obhut entlassen, und das erschien ihm momentan sehr verlockend.
Er blickte prüfend über die Wasserfläche und sah nichts außer Dunst und Finsternis. Still war es. Fast zu still. Die englischen Boote mussten irgendwo da draußen lauern.
»Im Moment überlege ich nur, wie wir den englischen Patrouillen entwischen können. Nachher werde ich mir über das Mädchen den Kopf zerbrechen.«
»Mir gefällt das nicht«, erwiderte Randolph eigensinnig.
Erik warf einen Blick zu seinem unwillkommenen Passagier, dessen schlanke Gestalt völlig in dem Pelzumhang verschwand. Auch bei näherer Betrachtung hatte sich ihre Erscheinung nicht verbessert. Sie war nicht unschön, aber auch nicht schön, sondern irgendwo in der Mitte. Ganz sicher nicht der Typ, der sein Blut normalerweise in Wallung brachte. Dass es trotzdem geschehen war, musste daran liegen, dass ihr halb nackter Körper sich an ihn gedrückt hatte. Für ein so knochiges Ding war sie erstaunlich weich gewesen.
Während er sie ansah, verspürte er ein sonderbares Kitzeln im Kreuz und ein Prickeln auf der Haut. Er runzelte die Stirn. Dasselbe war passiert, als er sie an sich gedrückt gehalten hatte.
Und das war vielleicht die Reaktion, die ihn am meisten beunruhigte. Sie war ihm ganz und gar nicht geheuer.
Dieses eine Mal waren er und Bruces junger Neffe sich einig.
»Mir auch nicht, Junge, mir auch nicht.«
Kurz darauf gefiel sie ihm noch viel weniger.
Erik hatte eben den Befehl gegeben, auf Kurs Ost zu drehen und Islay direkt anzusteuern, entschlossen, dem Mädchen die Augen zu verbinden und sie an Bord zu lassen, bis er Bruce Bericht erstattet hatte, als er hinter sich ein Segel sichtete.
Aber nicht das war für ihn Grund zur Sorge. Mit gerefftem Segel war sein Boot im schweren Mantel von Dunkelheit und Nebel fast unsichtbar. Sollte das andere Schiff sie sichten, konnte Erik immer noch Segel setzen und ihm entkommen.
Nein, das einzelne Segel hinter ihm war keine Bedrohung. Aber die drei weißen Punkte, die vor ihnen aus der Nacht praktisch heraussprangen, parallel zur Küste segelten und schnell auf sie zukamen – die konnte er nicht ignorieren.
Er stöhnte. Diese lange Nacht drohte noch länger zu werden. Schliefen denn die verdammten Engländer nie? Ein verdammtes Hornissennest, dachte er wieder. Trotz des verheißungsvollen Beginns entpuppte sich die »kleine« Fahrt nach Dunluce zu einem richtigen Krampf im Arsch.
Drei Schiffe vorne, eines hinten, die irische Küste zur Rechten – ihm blieb kein anderer Ausweg als nach Norden, direkt in den Wind, wenn er den Feinden entkommen wollte.
Er sah zu den vor ihm sichtbaren Segeln. Es war noch Zeit. Solange sie sich still verhielten, konnten sie entkommen …
Still. Ach, verdammt. Sein Blick schoss eine Sekunde zu spät zu dem Mädchen. Er vernahm Domnalls erschrockenen Fluch, dem ein leises Aufklatschen folge.
Erik überlegte nicht, er reagierte nur und sprang ihr nach – voll bekleidet und bewaffnet. Er kämpfte nicht gegen die Schwerkraft an, als das Wasser seine Rüstung erfasste, und wartete ein paar Sekunden, bis er sein Gleichgewicht hatte. Den Schock des kalten Wassers nahm er kaum wahr. Es traf ihn wie mit Eisspitzen und durchdrang ihn bis ins Gebein. Sein einziger Gedanke war es, sie zu packen, ehe sie laut schreien und die Engländer auf sie aufmerksam machen konnte.
Er folgte der Richtung, die sie genommen hatte. Als er sie nicht sofort fand, schoss er zurück an die Oberfläche. Die Wellen tanzten auf und nieder, doch konnte er sie nirgends sehen. Wo zum Teufel steckte sie?
Das lästige Mädchen ließ ihn sein kühnes und galantes Vorgehen bereuen, mit dem er ihren knochigen Hals gerettet hatte. Er würde ihr diesen eigenhändig umdrehen, wenn er sie erwischte.
Er sah zurück zu seinen Männern, die über die Bordwand gebeugt hingen und ebenfalls angestrengt in die Dunkelheit starrten.
»Seht ihr etwas?« rief er.
Sie schüttelten die Köpfe.
Fluchend tauchte er wieder unter. Das dumme Ding würde absaufen. Warum hatte sie nicht auf ihn gehört?
Weil sie Angst hat.
Vor mir.
Eine Erkenntnis, die ihn verwirrte. Dass ein Mädchen vor ihm davonlief, daran war er nicht
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