Der Highlander und der wilde Engel
Pony, das Will für ihn mitgebracht hatte, mit einer Mischung aus Sehnsucht und Furcht musterte. Sie biss sich auf die Lippe. Er konnte unmöglich je auf einem Pferd gesessen haben. Sie bezweifelte, dass er überhaupt einmal den Wohnturm verlassen hatte, abgesehen von kurzen Ausflügen in den Burghof. Denn wenn er auch Brodies Sohn war - ob dieser ihn nun anerkannte oder nicht -, war er bis zu ihrer Ankunft nur der Bastard einer Magd gewesen. Sie fragte sich, was ihr Bruder sich dabei gedacht hatte, ihm das Pony mitzubringen. Womöglich glaubte er, dem Jungen auf dem kurzen Weg zum Fluss eben schnell das Reiten beibringen zu können. Oder vielleicht war er einfach davon ausgegangen, dass Laddie reiten konnte, da er selbst es in dessen Alter längst gekonnt hatte. So oder so würde sie den kleinen Kerl nicht allein auf ein Pferd scheuchen, wenn ihn diese Vorstellung so sehr ängstigte, wie sie es offenbar tat.
„Komm her“, sagte sie, beugte sich hinab und streckte ihm die Hand entgegen.
Er sah zu ihr auf. „Heißt das, ich werde mit Euch reiten?“
„Aye“, antwortete sie. „Das solltest du wohl, nicht wahr? Schließlich hat man dich angewiesen, an meiner Seite zu bleiben.“
„Richtig.“ Er wirkte erleichtert, schaute aber noch einmal zum Pony hinüber, ehe er ihre Hand ergriff.
Laddie war schwerer, als er aussah. Und da es ihr sichtlich Mühe bereitete, ihn hochzuziehen, sprangen gleich mehrere Krieger aus dem Sattel und beeilten sich zu helfen.
„Vielen Dank“, sagte sie lächelnd, während die Männer den Jungen vor ihr aufs Pferd setzten.
„Nichts zu danken, Mylady.“
„Gern geschehen, Mylady. “
„Stets zu Diensten, Mylady.“
Averill blinzelte überrascht, als die Kämpfer sie breit angrinsten und sich immer wieder verneigten, während sie den Rückzug antraten, nun, da ihre Hilfe nicht länger vonnöten war. Sie war mit diesen Männern aufgewachsen, und sie hatten sie - als Tochter ihres Dienstherrn - stets mit einer Art gleichgültigem Respekt behandelt. Noch nie jedenfalls hatten sie sie mit derart leuchtenden Augen und blendendem Lächeln angesehen wie gerade. Auch war es das erste Mal, dass sie sich förmlich überschlagen hatten, um Averill ihre Hilfe anzudienen. Sehr merkwürdig, dachte sie, und schüttelte fast unmerklich den Kopf, verwirrt über dieses Gebaren. Dann wandte sie sich Laddie zu, um sich zu vergewissern, dass er es bequem hatte.
„Sitzt du gut?“, fragte sie und sah überrascht, dass er den Männern wütend hinterherfunkelte. „Stimmt etwas nicht?“
„Sie sollten Euch nicht so ansehen“, erwiderte er aufgebracht. „Schließlich seid Ihr die Frau des Laird.“
„Wie sehen sie mich denn an?“, fragte sie verblüfft.
„Als wäret Ihr irgendein Mädchen, das sie bespringen wollen. “
Averill war so entsetzt über den Ausdruck, dass es ihr kurz den Atem verschlug. Dann lachte sie auf.
„Das haben sie doch gar nicht“, erwiderte sie ungläubig und betrachtete den Jungen stirnrunzelnd. „Und wo hast du eigentlich solche Ausdrücke her?“
„Welche denn?“, fragte Laddie. Er gab es auf, den Krie-gern nachzustarren, und sah nun verunsichert zu ihr auf.
„,Bespringen‘, zum Beispiel“, sagte sie und errötete, als ihr das Wort über die Lippen kam.
„Oh, aber jeder sagt doch bespringen.“ Er zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht so recht, was damit gemeint ist“, räumte er ein. „Nur dass es etwas ist, was ein Mann mit einer Frau tut, die ihm gefällt.“
„Aye, nun ...“ Averill räusperte sich. „Es ist jedenfalls gar nicht ritterlich, derlei Begriffe in Gegenwart einer Dame zu verwenden.“
„Oh.“ Er blickte betreten drein. „Aber eine Frau darf das Wort benutzen?“
„Welche Frau hast du es denn sagen hören?“, fragte sie erstaunt. Ihre Mutter hätte sie stundenlang in einem kalten Bad sitzen lassen, wenn sie sie dabei ertappt hätte, dass sie sich einer solchen Sprache bediente.
„Annie und Morag. Erst neulich hat Annie erzählt, dass sie Lord William und Fergus Bier an die Tafel gebracht und dabei mitbekommen hat, wie sich die beiden darüber lustig machten, was der Laird doch für ein Pechvogel sei. Weil er sich doch immer gerade dann einen Pfeil einfängt, wenn er versucht, Euch zu bespringen. “
Männer! Averill schloss kurz die Augen und seufzte. „Und die Kämpfer sprechen auch immerzu davon“, fuhr er fort. „Sie werden nicht müde zu sagen, wie glücklich sich Laird Kade schätzen kann, dass er Euch
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