Der Highlander und der wilde Engel
wenn er seine Sehkraft zurückgewinnt und mich wahrnimmt“, erwiderte sie unglücklich und versuchte aufzustehen.
„Aber, Mylady“, sagte Bess mit fester Stimme und drückte sie auf die Bettkante zurück. „Ich bin sicher, dass er keineswegs enttäuscht sein wird. In Wahrheit ... “
„Du kannst dir aber gar nicht sicher sein“, wandte sie ein. „Zumindest sollte er wissen, worauf er sich einlässt.“ „Vielleicht, aber ..."
„Ich werde jetzt gleich zu ihm gehen und ihm sagen, dass ich rotes Haar habe und ein Muttermal und viel zu kleine Brüste und ...“
„Zu kleine Brüste?“, fiel Bess ihr beinahe schrill ins Wort. „Wo habt Ihr denn diesen Unsinn her?“
„Von Cyril Seawell“, gab sie seufzend zu. „Offenbar war er der Meinung, sie seien zu mickrig. Er war ziemlich angewidert und konnte gar nicht aufhören, sie anzustarren und zu betatschen.“
„Oh, gewiss, angewidert war er, aye?“, bemerkte Bess trocken und verdrehte die Augen, ehe sie aus dem Weg trat. „Dann geht. Geht und erklärt diesem Schotten, dass Ihr Haar von der Farbe des Sonnenuntergangs, ein erdbeergroßes Muttermal auf Eurer Wange und zierliche Brüste habt, aber das alles wird er bereits wissen und Euch trotzdem wollen.“
„Mag sein“, murmelte Averill und kam vorsichtig auf die Füße. „Und ich hoffe es auch. Dennoch möchte ich nicht riskieren, ihn unzufrieden zu sehen, wenn er erkennt, was für einen schlechten Handel er eingegangen ist, und das nur, weil ich es ihm nicht vorab gesagt habe und er enttäuscht ist.“
„Hmm“, machte Bess und hob eine Braue, als sie sah, wie Averill an sich herabblickte.
„Ich trage mein Nachthemd“, stellte sie überrascht fest, obwohl sie das wohl nicht verwundern sollte. Schließlich hatte sie im Bett gelegen. Merkwürdig fand sie nur, dass sie nicht aufgewacht war, als man sie umgekleidet hatte.
„Ganz richtig, und ich werde mir bestimmt nicht die Mühe machen, Euch zu dieser Stunde noch einmal den vollen Putz anzulegen. Also hüllt Euch einfach hierin ein ... “ Bess zog eine der Felldecken vom Bett und legte sie ihr um die Schultern, zog die beiden Enden vom zusammen, drückte Averills Finger darauf, trat zurück, um ihr Werk zu begutachten, und nickte. „Das genügt. Nun geht.“
„Etwa so?“, fragte Averill gereizt.
„Aye.“
„Aber es ist nicht schicklich“, wandte sie ein.
„Was kann schon passieren, wenn man Euch so bei ihm erwischt, außer dass man Euch mit ihm verheiratet?“, fragte die Magd spöttisch.
Averill betrachtete die Frau aus schmalen Augen. „Ja, das würde dir gefallen, nicht wahr?“
„Richtig, das würde es. Und das sollte es auch Euch“, konterte Bess. „Er wird einen viel besseren Gemahl abgeben als auch nur einer der anderen, die Euer Vater aufgefahren hat.“
Finster schaute Averill die Magd an. Sie musste einräumen, dass Bess recht hatte. Kade würde in der Tat ein sehr viel besserer Ehemann sein als einer der ungehobelten, groben Rüpel, von denen sie bislang zurückgewiesen worden war. Er war zuvorkommend, liebenswürdig und hatte Witz, und sie genoss es, mit ihm zu plaudern. Überdies fand sie ihn durchaus ansehnlich und ... Jedenfalls würde sie es nicht ertragen, denselben Abscheu auf seinem Gesicht zu sehen, den auch alle anderen gezeigt hatten. Sie musste mit ihm reden, wobei Bess ihr aber offenbar keine Hilfe sein würde. Wenn sie Kade nun in seinem Gemach aufsuchen würde, so argwöhnte sie, würde die Magd schnurstracks zu ihrem Vater laufen, um sicherzustellen, dass die Heirat stattfinden musste.
„Der Morgen wird immer noch früh genug sein, um mit ihm zu sprechen“, sagte sie verdrossen, zog sich die Decke von den Schultern und stieg wieder ins Bett. „Ich werde einfach zeitig genug wach sein müssen, um mit ihm zu reden, ehe er und Vater den Vertrag unterzeichnen.“
Bess entspannte sich und nickte, während sie Decken und Felle um Averill richtete. „Ein vernünftiger Gedanke. Ich werde Euch wecken. “
Averill schnaubte belustigt, schloss aber nur die Augen, um das doppelte Bild der Frau auszublenden, und zwang sich zur Ruhe.
„Schlaft gut, Mylady“, verabschiedete Bess sich leise.
„Du auch“, erwiderte sie mürrisch und lauschte dem Geraschel von Stoff, als Bess zum Ausgang schritt. Sie hörte, wie die Tür sich öffnete und schloss, und schließlich das Getrappel von Schritten, als die Magd sich durch den Gang entfernte. Dennoch wartete sie einen Augenblick, ehe sie die Augen wieder
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