Der Himmel auf Erden
Schnellstraße ab und den Slottsskogsvallen hinauf. Die Dämmerung fiel innerhalb der sechs Minuten, die Halders brauchte, um Ringmars Haus zu erreichen. Die Lichterpracht auf dem Nachbargrundstück war überwältigend.
»Jetzt hab ich alles gesehen«, sagte Halders.
»Der ist geisteskrank«, sagte Ringmar und stieg aus dem Auto.
»Du brauchst selbst überhaupt kein Licht mehr anzumachen, Bertil.« Halders sah teilnahmsvoll aus. »So musst du das sehen.«
Aber Ringmar musste trotzdem Licht im Vorraum einschalten, der im Schatten des Wohnzimmers lag. Es half nichts.
Keine Nachricht auf dem Anrufbeantworter. Keine Nachricht in der Post, die er aus dem Briefkasten an der Haustür genommen hatte. Er ließ alles auf den Fußboden fallen. Da drinnen war es ganz still. Keine Dunstabzugshaube in Aktion. Keine Stimme aus der Küche. Kein Weihnachtsschinken, der Düfte verbreitete.
34
Pia Fröberg hatte eine Falte zwischen den Augenbrauen, die immer tiefer zu werden schien, je länger sie Kaites Kopf betrachtete.
Kaite schien sich von hier wegzuträumen, hinaus durchs Fenster, den Kopf schräg gelegt.
»Hm«, machte Pia Fröberg.
»Ja?«, sagte Ringmar.
»Tja… da ist etwas zu sehen, man kann sich aber auch entschließen, nichts zu sehen.«
»Danke.«
»Trotzdem, im Moment kann ich dir nicht sagen, ob es ein besonderes Zeichen ist oder nur… eine Narbe. Eine Wunde, die heilt.«
»Danke, ich hab's verstanden, Pia.«
»Aber es könnte auch ein… Abdruck sein.«
»Der dann also etwas bedeutet?«, sagte Ringmar.
»Wenn es so ist, dann ja.«
»Zum Beispiel dies hier?« Ringmar hielt eine Kopie von Carlströms Zeichnung hoch.
»Könnte sein. Das kann ich hier und jetzt nicht sagen.«
»Wollen wir fahren?«, sagte Halders.
Sie gingen zur Tür.
»Und was soll ich jetzt machen?« Kaite hob den Kopf.
»Das weiß ich nicht«, sagte Halders ohne sich umzudrehen.
»Soll ich nicht mitkommen?«
»Möchten Sie das?« Halders drehte sich um.
»Ne…ein, nein.«
»Fahren Sie nach Hause und bleiben Sie ruhig«, sagte Ringmar, der sich auch umgedreht hatte. »Wir lassen von uns hören.«
»Was passiert denn mit dem hier?«, fragte Kaite Pia Fröberg und zeigte zu seinem Kopf. »Wird das… bleiben?«
»Das ist schon möglich.«
»Mist.«
»Noch lässt sich das nicht sagen«, antwortete Pia Fröberg, die Mitleid mit ihm hatte.
Sie fuhren durch die Stadt, die Lichter und die glitzernden Girlanden, die über den Straßen hingen, nahmen zum Zentrum hin zu.
»Ruf mal bei Smedsberg an und kontrollier, ob er jetzt zu Hause ist«, sagte Ringmar.
Nach dem dritten Klingeln wurde abgehoben. »Hier ist Kriminalinspektor Fredrik Halders.«
*
Eine Stunde später betrat Smedsberg Ringmars Zimmer. So lange hatte er gebraucht, um herzukommen. Der haut nicht ab, hatte Halders gesagt.
»Bitte, setzen Sie sich«, sagte Ringmar. Smedsberg setzte sich auf den einfachen Stuhl.
»Wollten wir nicht in ein anderes Zimmer gehen?«, fragte Halders.
»Ach ja, klar«, sagte Ringmar. »Bitte, folgen Sie uns.«
»Was ist denn los?«, fragte Gustav Smedsberg.
»Wieso?«, sagte Halders.
»Ich verstehe nicht…«
»Es ist nur zwei Stockwerke tiefer«, sagte Ringmar.
Keiner sprach im Aufzug nach unten. Smedsberg sah aus, als wäre er auf dem Weg zum elektrischen Stuhl. Vielleicht ist er aber auch nur ein Typ, der immer traurig aussieht, dachte Halders.
Es war kein gemütliches Zimmer. Im Gegensatz zu den Verhörzimmern, die vorbereitet wurden, damit Kinder sich geborgen fühlten. Auf dem Schreibtisch stand eine Lampe mit bösartigem Licht, und an der Decke war ein noch bösartigeres. Das Zimmer hatte ein Fenster, aber niemand hatte Freude an dem Ausblick auf den Belüftungsschacht. Der Raum schien für seinen Zweck eingerichtet zu sein, und doch wirkte alles eher zufällig, ein Fenster am falschen Platz, eine Belüftungsanlage am falschen Platz.
»Bitte, setzen Sie sich«, sagte Ringmar.
Smedsberg setzte sich, sehr vorsichtig, als sei er darauf gefasst, dass Halders, den er jetzt anschaute, einen gegenteiligen Befehl geben würde. Halders nickte freundlich.
Ringmar schaltete das Tonbandgerät auf dem Tisch ein. Halders fummelte an dem Stativ der Videokamera. Ihr Surren war noch das Gemütlichste im Zimmer.
»Feiern Sie Weihnachten zu Hause?«, fragte Ringmar.
»Äh… was?«
»Ob Sie Weihnachten zu Hause auf dem Hof bei Ihrem Vater feiern?«
»Äh… nein.«
»Ach?«
»Was spielt das für eine Rolle?«, fragte
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