Der Himmel auf Erden
windig. Das Foto war eingerahmt mit Farben vom ganzen Regenbogen. Pfeile mit dem Namen des Mädchens zeigten auf das Bild.
»Sie wollte, dass jeder genau sieht, dass sie es ist und niemand anders auf dem Bild.« Lena Sköld lächelte.
»Offenbar hat sie ein gutes Selbstvertrauen«, sagte Angela.
»Tja… ich weiß nicht.« Lena Sköld trank wieder von ihrem Kaffee. »Man wird sehen.« Sie sah Angela an. »Ich bin allein erziehend.« Sie stellte die Tasse ab und lächelte. »So nennt man das wohl.«
Angela nickte. Durchs Fenster sah sie einige Eltern aus dem Kindergartengebäude kommen, auf dem Weg nach Hause. Sie warf einen Blick auf die Uhr.
»Es ist wohl Zeit sich zu bewegen«, sagte Lena Sköld, »falls man überhaupt noch hochkommt.« Sie bewegte die Beine. »Gar nicht so leicht.«
»Ich glaub, ich versuch es gar nicht erst.«
Lena Sköld blieb auch sitzen, ein Blick durchs Fenster, das ihr Gesicht spiegelte.
»Ich muss an das denken, über was wir vorhin geredet haben«, sagte sie jetzt. »An den Jungen?«
»Ja.« Lena Sköld schien mehr sagen zu wollen, und Angela wartete. »Mir ist etwas Merkwürdiges passiert vor einiger Zeit. Oder besser gesagt Ellen.« Sie sah Angela an. »Es ist ein unheimliches Gefühl. Ich meine, was diesem Jungen passiert ist und so, das ist ja wirklich unheimlich. Aber ich rede von Ellen. Im Zusammenhang mit alldem hier also.«
Was will sie nur sagen?, dachte Angela.
»Es war merkwürdig«, fuhr Lena Sköld fort, »das mit Ellen. Sie ist nach Hause gekommen und hat von jemandem erzählt… dass sie jemanden getroffen hat, als der Kindergarten einen Ausflug gemacht hat.«
»Wie getroffen?«
»Einen… Onkel. Dass sie jemanden getroffen hat, mit dem sie eine Weile im Auto gesessen hat. Jedenfalls hab ich es so verstanden, dass es ein Auto gewesen ist.«
»Das hat sie erzählt?«
»So hab ich's mir jedenfalls zusammengereimt«, sagte Lena Sköld. »Und noch etwas. Sie hat etwas bei sich gehabt, das ist an dem Tag verschwunden.«
»Was war es?«, fragte Angela.
»Ein kleiner silberner Schmuckanhänger, den sie in ihrem Overall bei sich trug. Er war weg. Die Polizei hat gesagt, ich soll überprüfen, ob etwas fehlt, und das war also dieser Schmuckanhänger.«
»Die Polizei?«
»An dem Abend, als Ellen mir das erzählt hat, hab ich bei der Polizei angerufen.«
»Bei welcher Polizei?«
»Wie meinen Sie das?«
»Haben Sie in der Zentrale angerufen?«
»Ich weiß nicht, wie das Revier hieß. Ich hab eine Telefonnummer gewählt und wurde von irgendwem irgendwohin durchgestellt. Es war übrigens ein Revier hier in der Nähe. Majorna und Linnéstaden.«
»Was haben sie gesagt?«
»Der, mit dem ich gesprochen habe, hat alles aufgeschrieben. Jedenfalls hatte ich den Eindruck. Und dann hat er gesagt, ich soll überprüfen, ob etwas fehlt, und das hab ich getan und wieder angerufen und von diesem Anhänger erzählt.«
»Haben die wieder von sich hören lassen?«
»Nein.«
»Wie geht es Ellen?«
»Wie immer. Vielleicht hat sie sich das ja auch nur ausgedacht.« Lena Sköld sah sich im Spielzimmer um, das aufgeräumt und blank gewienert war. Das Spielzeug lag in großen Kisten entlang der Wände. Überall hingen Zeichnungen. Auf den meisten war Weihnachten dargestellt.
Es roch immer noch nach Kerzenwachs und Glühwein und der vorweihnachtlicher Erwartung. Aus den anderen Zimmern waren Stimmen zu hören, es waren jetzt weniger.
»Aber wenn ich das von dem Jungen höre, bin ich mir doch nicht so sicher.«
Angela schwieg.
»Was sagen Sie dazu?«, fragte Lena Sköld.
»Haben Sie versucht, mit Ellen darüber zu reden?«
»Ja, einige Male.«
»Was sagt sie?«
»Ungefähr immer dasselbe. Sie scheint es nicht vergessen zu haben. Es ist immer dieselbe kleine Erzählung. Wenn es also kein Märchen ist, keine Phantasie.«
18
Angela ging in Gedanken versunken nach Hause. In den Schaufenstern waren Weihnachtsmänner, aber es lag kein Schnee. Das Trottoir glänzte von Feuchtigkeit in der Straßenbeleuchtung. Sie dachte an den verletzten Jungen und seine Eltern. Sie dachte an Lena Sköld, die ein wenig von ihrem Leben erzählt hatte. Es war ein einsames Leben, in dem es keinen Mann für Lena und keinen Papa für Ellen gab. Vielleicht später einmal.
Angela blieb vor der Haustür stehen. Jetzt war es still auf dem Vasaplatsen, aber ein feuchter Nordwind blies von der Allen herauf. Sie schlug den Jackenkragen hoch und blieb stehen. Auf der anderen Straßenseite hielt eine
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