Der Himmel auf Erden
jetzt ist bald Weihnachten… das muss gewesen sein, als wir die Kartoffeln rausgeholt haben, Anfang Oktober.«
Schon mehr als zwei Monate her, dachte Winter. Tja. Wie oft traf er seine Mutter? Es gingen fast stündlich Direktflüge von Göteborg nach Malaga für alle Pensionäre und Golfspieler und jene, die eine Kombination aus beidem waren, und das waren die meisten.
Auf einem Sekretär an der anderen Seite vom Küchentisch stand ein gerahmtes Porträt. Eine Frau in mittleren Jahren mit Dauerwellen lächelte vorsichtig ein schwarzweißes Lächeln. Smedsberg sah Winters Blick.
»Das ist meine Frau«, sagte er, »Gustavs Mutter. Sie hat uns verlassen.«
»Sie verlassen?«
»Ich bin Witwer«, sagte der Mann und erhob sich. Er ging zu dem eisernen Herd und steckte wieder ein paar Birkenscheite hinein.
»Hat Gustav mal einen Freund aus Göteborg mitgebracht?«, fragte Ringmar.
»Wann soll das gewesen sein?«
»Irgendwann, seit er bei Chalmers studiert.«
»Ja«, sagte Smedsberg, der noch am Herd stand und seine gekrümmten und verfärbten Hände über den heißen Eisenringen wärmte. »Als er zur Kartoffelernte zum Helfen hier war, hatte er einen Freund dabei.« Smedsberg schien zu lächeln, aber vielleicht verzog er auch nur das Gesicht, weil jetzt die Hitze in den Handflächen zu spüren sein musste. »Es war ein Schwarzer.« Er hob die Hände und blies darauf. »Schwarz wie die Erde da draußen.«
»Sein Freund war also schwarz?«, wiederholte Ringmar.
»'n richtiger Neger«, sagte Smedsberg, und jetzt lächelte er. »Ich hatte noch nie einen gesehen.«
Mein erster Neger, dachte Winter. Es gibt für alles ein erstes Mal.
»Mit dem hätte man das Vieh erschrecken können«, sagte Smedsberg.
»Hieß er Aris Kaite?«, fragte Winter.
»An den Namen erinnere ich mich nicht«, sagte Smedsberg. »Ich weiß nicht mal, ob er mir überhaupt seinen Namen gesagt hat.«
»Ist er das?« Winter reichte ihm einen Abzug von dem Foto, das sie aus Kaites Studentenbude mitgenommen hatten.
»Wie soll man die denn unterscheiden?«
»Sie erkennen ihn also nicht wieder?«
»Nein.« Smedsberg gab das Foto zurück.
»Ist er danach noch mal hier gewesen?«
»Nein. Ich hab ihn nicht noch mal gesehen, daran würde ich mich wahrhaftig erinnern.« Er sah von Winter zu Ringmar. »Warum fragen Sie das alles? Ist er verschwunden oder was?«
»Ja«, antwortete Winter.
»Ist er einer von den anderen, die überfallen worden sind?«
»Warum fragen Sie das?«
»Ja… warum sonst sind Sie hergekommen?«
»Er ist einer von ihnen«, sagte Winter.
»Warum sollte jemand Gustav und diesen Schwarzen überfallen?«, fragte Smedsberg.
»Das versuchen wir ja herauszufinden«, sagte Winter.
»Vielleicht haben sie es verdient«, sagte Smedsberg.
»Wie bitte?«
»Vielleicht haben sie nichts anderes verdient«, wiederholte Smedsberg.
»Wie meinen Sie das denn?«, fragte Ringmar.
»Irgendwas muss ja gewesen sein. Es kann doch kein Zufall sein, dass jemand beide überfallen hat?«
»Es ist nicht gleichzeitig passiert«, sagte Winter.
»Trotzdem«, sagte Smedsberg.
»Und Gustav hat Ihnen nichts davon erzählt?«
»Ich hab doch gesagt, dass er seit Oktober nicht mehr hier gewesen ist.«
»Es gibt ja Telefon«, sagte Winter. Auch in diesem Haus gab es Telefon. Winter hatte es in der Diele gesehen. Ein altes, noch mit Wählscheibe natürlich.
»Wir haben seit einem Monat nicht mehr miteinander gesprochen«, sagte Smedsberg, und Winter sah, wie sich sein Gesicht verdunkelte.
Ringmar beugte sich vor. »Haben Sie noch mehr Kinder, Herr Smedsberg?«
»Nein.«
»Sie wohnen allein hier?«
»Seit meine Gerda fortgegangen ist, ja.«
»Hat Gustav damals noch zu Hause gewohnt?«
»Jaaa…« Smedsberg wirkte abwesend. »Er war klein und dann wurde er groß. Er war auch beim Militär. Dann… ist er nach Göteborg gezogen und hat angefangen zu studieren.«
»Dann will er den Hof also nicht übernehmen?«, sagte Ringmar.
»Da gibt's nichts zu übernehmen«, sagte Smedsberg. »Der Hof kann mich kaum am Leben erhalten, und wenn ich nicht mehr da bin, können die Krähen das Ganze übernehmen.«
Dazu sagten sie nichts.
»Soll ich mehr Kaffee aufsetzen?«, fragte Smedsberg.
»Ja, bitte«, sagte Ringmar, und Winter sah ihn an.
Bertil will uns verlassen, diese Welt, die wir die unsere nennen. Es wird ein schmerzhafter Abschied. »Falls Sie noch Zeit haben.«
»Ich muss nur den Kaffeesatz noch mal aufkochen«, sagte Smedsberg und ging zum
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