Der Himmel auf Erden
noch nicht lange her.«
Halders hatte auf einem Stuhl gesessen und schien aus dem Fenster zu schauen. Dann hatte er sich ihr zugewandt.
»Sie haben gleich beschlossen, zum Frölunda-Krankenhaus zu fahren.«
»Ja?«
»Was hat Sie zu diesem Entschluss bewogen?« Er hatte gesehen, wie sie ihrem Mann einen hastigen Blick zuwarf, Magnus Heydrich, der in Habtachtstellung an der Tür stand. Heydrich hatte sich kein einziges Mal während des Gesprächs hingesetzt und mehrere Male auf die Uhr geschaut.
»Wir hielten es für das Beste«, hatte der Mann gesagt.
»Schien sie verletzt zu sein?«
»Nicht… soweit wir sehen konnten.«
»Hat sie gesagt, dass jemand sie geschlagen hat?«
»Nein«, hatte Kristina Bergort geantwortet.
»Sie wissen, dass wir an einem Fall arbeiten, bei dem ein Fremder ein Kind mitgenommen und verletzt hat?«
»Ja. Sie haben es erwähnt, als Sie gestern angerufen haben«, hatte Kristina Bergort gesagt.
»Ich hab nichts davon gehört«, hatte Magnus Bergort eingeworfen, »oder darüber gelesen.«
»Es hat in der Zeitung gestanden, aber nicht, was genau passiert ist. Sie verstehen? Dies ist eine vertrauliche Unterredung. Wir haben mit einem anderen Elternpaar gesprochen, das etwas… Ähnliches erlebt hat.«
»Was bedeutet das?«, hatte Kristina Bergort gefragt.
»Wir wissen es noch nicht. Darum fragen wir ja.«
»Hatte Maja Verletzungen?«, war Halders Winter fast ins Wort gefallen.
»Nein…«, hatte Kristina Bergort geantwortet.
»Hatte sie nicht ein paar blaue Flecken?«
»Woher wissen Sie das? Wenn Sie es wussten, brauchten Sie doch nicht zu fragen.«
»Die Polizeiinspektorin, die mit Ihnen im Krankenhaus war, hat es uns erzählt. Aber wir möchten gern hören, was Sie selber dazu zu sagen haben.«
»Glauben Sie, dass das nichts mit der Begegnung mit diesem… Fremden zu tun hat?«, hatte Winter gefragt.
»Ja.«
»Wieso sind Sie da so sicher?«
»Ich hab doch gesagt, es war die Schaukel.« Sie war mit Mühe auf ihrem Stuhl sitzen geblieben. »Das hab ich doch gesagt.« Sie hatte ihrem Mann einen Blick zugeworfen, der hatte genickt und noch einmal auf die Uhr geschaut. Er stand immer noch an der Tür, wie ein Zinnsoldat im Anzug. »Sie ist von der Schaukel gefallen.« Kristina Bergort hatte ihre Hand wieder erhoben. »Gefallen!«
Hier stimmt entschieden etwas nicht, hatte Winter gedacht.
25
Erinnerungen, die den Schädel wie Nägel treffen. Bang, bang, bang, mitten hinein, und das sollte nicht wehtun? TAT DAS NICHT WEH!?
Auf dem flachen Land gab es keine Träume. Alles war Leere und Wind. Er wollte nicht zum Himmel aufsehen, aber wohin sollte er sonst schauen, die schmutzige Glocke bedeckte alles, was es da oben und an den Seiten gab.
Hier ist es anders. Ich kann hinaussehen, ohne dass die Bilder mir den Kopf sprengen.
Er lag in seinem Bett und schaute zur Decke. Dort hatte er zwei Bilder gemalt, die die ganze Fläche bedeckten. Schaute er nach links, sah er einen strahlenden Sternenhimmel. Die Sternbilder hatte er aus der Erinnerung gemalt. Schaute er nach rechts, leuchtete die Sonne von einem blauen Himmel, der schönste Himmel, den er je gesehen hatte. Er hatte ihn selbst gemalt.
Manchmal zog er einen Vorhang vor, der an einer Schiene in der Mitte der Decke befestigt war, so konnte er von der Nacht zum Tag gehen und umgekehrt.
Er spürte einen Stoß im Kopf und noch einen. Wieder die Erinnerungen. »Das kann doch wohl nicht wehgetan haben?!« Der Schatten über ihm, ein Lachen. Mehrere Schatten, umringt von Schatten. Er sah nur Erde. Es regnete. Vor seinem Gesicht waren Stiefel. »Willst du hoch?« Ein Stiefel. »Er will hoch.«
War da noch mehr? Er konnte sich nicht erinnern. Jetzt erhob er sich, ging in das andere Zimmer und suchte die neuen Erinnerungen hervor, die nicht schmerzten, wenn er sie berührte: das Auto, der Ball, der Schmuckanhänger und die Uhr. Er hielt die Uhr gegen das Licht der Straßenlaterne, da es dunkel im Zimmer war. Die Uhr war stehen geblieben und er versuchte sie vorsichtig aufzuziehen, aber die Zeiger bewegten sich nicht. Sie hatte damals schon gestanden, war dem Jungen vom Arm gerissen worden und gegen etwas Hartes geschlagen.
Wie war sie abgerissen worden?
Nein, nein, das waren keine guten Erinnerungen, solche Bilder wollte er nicht in seinem Kopf sehen, wo es schon so viele andere Verletzungen gab.
Der Junge hatte sich nicht so verhalten, wie er sollte. So war es, er war nicht wie die anderen gewesen, denen er Sachen gezeigt hatte
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