Der Himmel auf Erden
können sie zur Hölle fahren.«
»Hier ist es«, hatte Winter gesagt.
Das Doppelhaus war das vorletzte in einer Sackgasse. Auf dem Grundstück stand ein Tannenbaum mit Lichterkette. Die Lichter waren nicht angezündet. Gleich dahinter ragte der Berg auf. Bergort, hatte Halders gesagt, als sie nach Önnered gekommen waren. Ha, ha, der Name passt.
»Das rechte Haus«, hatte Winter gesagt.
»Sieht ja wahnsinnig nett aus. Ist der liebe Papa denn schon zu Hause?«
»Nun mal ganz ruhig, Fredrik.«
»Was meinst du? Ich kann der good cop sein und du der bad.«
*
Magnus Bergort hatte sie mit einem herzlichen, festen Händedruck begrüßt. In seinen Augen war ein neugieriges Vertrauen gewesen, als ob er sich auf diesen Besuch gefreut hätte. Seine Augen waren blau, ein Blau von der durchsichtigen Art. Geisteskrank, hatte Halders gedacht. Bald bastelt er aus den Teilen einer Küchenmaschine eine Motorsäge her und stutzt damit seine Familie zurecht.
Bergort hatte einen schwarzen Anzug getragen, einen dunkelblauen Seidenschlips, Schuhe, die noch mehr als die Küchengeräte glänzten. Die Haare glatt und blond mit messerscharfem Mittelscheitel. Führer-Styling, hatte Halders gedacht und gesagt: »Vielen Dank, dass Sie sich für uns Zeit genommen haben.«
»Das geht schon in Ordnung«, hatte Bergort geantwortet, »ich muss erst gegen elf im Büro sein.«
Die Küche schien frisch geputzt zu sein und hatte schwach nach einem parfümierten Reinigungsmittel gerochen, vor dem angelehnten Fenster ein kreisender Seevogel. An den Wänden hatten Kochtöpfe, Messer und andere Küchengeräte gehangen. Glänzend.
Das Kind war im Kindergarten. Winter hatte diesen Zeitpunkt für am besten gehalten, um Bergorts aufzusuchen.
»Was ist Ihr Beruf, Herr Bergort?«, hatte Halders gefragt. »Ich bin… Wirtschaftler. Analytiker.«
»Und wo?«
»Äh… bei einer Bank. SEB.« Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar, ohne dass sich seine Frisur veränderte.
»Sie geben Leuten Ratschläge, was sie mit ihrem Geld machen sollen?«, hatte Halders gefragt.
»Nicht direkt. Ich beschäftige mich eher mit… tja, langfristigen finanziellen Strategien der Bank.«
»Gibt es für eine Bank noch eine andere Strategie als die finanzielle?«, hatte Halders gefragt.
»Äh… haha… gute Frage, klar geht es um viel Geld.«
»Damit hab ich ein Problem«, hatte Halders gesagt. »Geld. Ehe man Zeit hat, sich in Ruhe hinzusetzen und seine Finanzen zu überschlagen, sind sie weg.«
»Ja…«
»Sie haben keine Standardtipps? Was zum Teufel kann man tun, um seine Penunzen zusammenzuhalten, bevor sie sich in Nichts auflösen?«
»Oh… ich könnt ja mal vers…«
»Na, im Augenblick ist das nicht so wichtig«, sagte Winter. »Sie müssen gleich zu Ihrem Job, und wir haben auch noch was zu tun.« Er meinte Erleichterung bei Bergort zu spüren. Na, warte. »Es geht darum, was Maja passiert ist.«
»Wirklich eine sonderbare Geschichte«, hatte Bergort unmittelbar geantwortet.
»Und wie sehen Sie die?«, hatte Winter gefragt.
Ist sich Magnus Führer eigentlich bewusst, worüber wir hier reden?, hatte Halders gedacht.
»Kristina hat es mir ja erzählt und wir… tja, wir haben mit Maja gesprochen, und sie sagt, dass sie mit einem Onkel in einem Auto gesessen hat.«
»Was glauben Sie selber?«
»Ich weiß es wirklich nicht.«
»Hat das Mädchen eine lebhafte Phantasie?«, hatte Halders gefragt.
»Ja…«, hatte Bergort geantwortet, »das haben doch alle Kinder.«
»Hat sie früher schon mal so was erzählt?«
Bergort sah seine Frau an. »Nein«, hatte Kristina Bergort geantwortet, »so was nicht.«
»Etwas Ähnliches?«, hatte Winter gefragt.
»Dass sie einen Fremden unter ähnlichen Umständen getroffen hat?«, hatte Halders gefragt.
»Nein«, hatte Kristina Bergort geantwortet. »Und sie hat immer alles erzählt, also hätten wir es erfahren.«
Alles, hatte Halders gedacht. Sie erzählt alles.
»Sie hat einen Ball verloren, nicht wahr?«, hatte Winter gefragt.
»Ja, ihren Lieblingsball«, hatte Kristina Bergort geantwortet.
»Wann ist er verschwunden?«
»Am selben Tag… als sie das erzählt hat.«
»Und wie hat sie den Ball verloren?«
»Sie hat gesagt, dieser Onkel wollte ihn ihr vom Auto aus zuwerfen. Aber das hat er nicht getan.«
»Was hat er denn getan?«
»Ist einfach damit weggefahren, soweit ich das verstanden habe.«
»Was sagt sie jetzt? Redet sie noch von dem Ball?«, hatte Winter gefragt.
»Ja, fast jeden Tag. Es ist ja
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