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Der Himmel auf Erden

Der Himmel auf Erden

Titel: Der Himmel auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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schwiegen sie. Es war überraschend, plötzlich die erleuchteten Häuser, Orte und Städte vorbeifliegen zu sehen, Autos zu begegnen, Laster. Eine andere Welt.
    »Der Alte hat gelogen«, sagte Ringmar.
    »Meinst du Carlström?«
    »Ja.«
    »Das ist die Untertreibung des Tages.«
    »Er hat gelogen, dass sich die Balken biegen.«
    »Jetzt kommst du der Wahrheit näher«, sagte Winter, und Ringmar lachte.
    »Aber lustig ist das nicht«, sagte er.
    »No good vibrations da draußen«, sagte Winter.
    »Dort gibt es ein Geheimnis«, sagte Ringmar. »Vielleicht mehrere.«
    »Wir müssen eventuelle Diebstähle in der Gegend überprüfen.«
    »Aber ist es den Aufwand wert?«, fragte Ringmar. Sie näherten sich der Stadt. Der Himmel leuchtete feuergelb am Horizont, wie von unten angeleuchtet.
    »Ja«, antwortete Winter. Er hatte das Gefühl nicht vergessen, das er gehabt hatte, als er gegen die Tür des Alten klopfte. Dort gab es ein Geheimnis. Er hatte es gespürt. Er hatte eine Finsternis empfunden, die tiefer als der Himmel war, der rund um das große Haus auf die Erde fiel.

24
    Sie waren wieder in der Stadt. Winter nahm immer noch den Geruch von verrottender Natur wahr, der im Auto hängen geblieben war. Wenn er Glück hatte, würde er ihn bis hinauf zu Angela und Elsa begleiten. Oder Pech: Angela würde wieder vom Haus auf dem Lande anfangen. Vielleicht hatte sie Recht.
    Aus dem CD-Spieler erklang Coltranes Saxophon. In Höhe des Gasometers fuhr ein Pickup mit einem Mann am Steuer vorbei, der eine Wichtelmütze trug. Coltrane versank in seinem Solo, Vibrationen gingen durch den Mercedes und durch Winters Kopf. Noch eine Person mit Wichtelmütze fuhr vorbei.
    »Was zum Teufel hat das zu bedeuten?«, fragte Ringmar.
    »Parade der Wichtelmänner«, sagte Winter.
    »Hast du keine Weihnachtslieder?«, fragte Ringmar und nickte zum CD-Spieler.
    »Sing mit, wenn du willst«, antwortete Winter, »improvisier den Text einfach.«
    »Morgen kommt der Weihnachtsmann«, sang Ringmar zu Traneing In, »kommt mit seinen Gaben.«
    Er verstummte. »Was ist los?«, fragte Winter.
    »Mir ist gerade nicht ganz klar, was wir hier machen«, sagte Ringmar.
    »Im Augenblick sitzen wir in meinem Auto und du singst Weihnachtslieder«, sagte Winter.
    »Aber es ist doch noch gar nicht Weihnachten«, sagte Ringmar.
    Winter hielt bei Rot. Die Oper leuchtete in der untergehenden Sonne. Der Fluss dahinter spiegelte funkelnd die rotscheinende Fassade. Gut gekleidete Menschen an den Fußgängerüberwegen vor ihm waren auf dem Weg in eine Oper, deren Namen er nicht kannte. Nicht seine Musik.
    »Das wird kein lustiges Weihnachten«, sagte Ringmar leise, als sie weiterfuhren.
    Winter warf ihm einen raschen Blick zu. Ringmar starrte geradeaus, als warte er auf mehr Wichtelmänner, die ihn auf bessere Gedanken bringen würden.
    »Denkst du an Martin?«
    »Was sonst?« Ringmar schaute übers Wasser, das den Glanz der Oper verloren hatte und jetzt die toten Werftkräne spiegelte, die auf der anderen Seite wie Skelette aufragten. »Man ist ja schließlich auch nur ein Mensch.«
    »Ich werde mit Moa reden«, sagte Winter. »Das hab ich ja versprochen, und jetzt ist es so weit.«
    »Lass es«, sagte Ringmar. »Ich meine, ich werde indirekt mit Martin reden. Zuerst mit Moa und dann vielleicht mit Martin.«
    »Das geht nur ihn und mich etwas an, Erik. Manchmal liege ich wach und denke über einzelne Ereignisse nach, die dazu beigetragen haben könnten, dass alles so gekommen ist«, sagte Ringmar. »Wann ist es passiert? Was hat es ausgelöst? Was hab ich getan?«
    Winter wartete auf die Fortsetzung. Er bog von der Schnellstraße ab, um Ringmar nach Hause zu bringen. Der Mariaplan hatte das Flair eines Kleinstadtmarktplatzes. Jugendliche lungerten um die Wurstbude herum. Straßenbahnen kamen und fuhren ab. Die Apotheke lag da wie immer, der Fotoladen, die Buchhandlung, bei der er auf dem Weg nach Langedrag halten und spontan Bücher für Lotta und ihre Töchter kaufen könnte.
    Das war Winters Marktplatz gewesen während seiner Kinder- und Jugendjahre in Hagen, er war aufgewachsen im selben Haus, in dem jetzt seine Schwester mit ihren Töchtern wohnte.
    »Ich finde es nicht«, fuhr Ringmar fort, »das Ereignis.«
    »Weil es dieses Ereignis nicht gibt«, sagte Winter. »Das hat es nie gegeben.«
    »Ich glaube, du irrst. Es gibt immer etwas. Ein Kind vergisst nicht, oder ein Jugendlicher. Der Erwachsene kann vergessen oder das Erlebnis ganz anders interpretieren als es

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