Der Himmel ist kein Ort
Bullen, nicht noch einmal zu erschrecken, und
gingen weiter.
»Du wolltest mir doch etwas über Karbe erzählen.«
»Ja, wollte ich. Aber ich weiß nicht, ob es dich nicht belastet.«
»Komm, sag schon. Was ist los?«
»Ja, ich weiß nicht, ob dir bekannt ist, dass Kerstin Karbe mit Angelika befreundet war. Kerstin ist in den letzten zwei Jahren
oft bei uns gewesen. Daher kenne ich mich etwas aus. Die meisten Leute meinen ja, die Ehe sei in Ordnung gewesen, auch weil
man Karbe viel zusammen mit seinem Jungen gesehen hat, an dem er offenbar sehr hing. Er ist ein sehr schwieriger, verschlossener
Mensch. Aber mit dem Jungen war er wohl anders. Sein Unterricht soll auch nicht schlecht gewesen sein.«
»Das hab ich auch gehört.«
»Wir haben die andere Seite seiner Person erlebt. Er war von chronischer Eifersucht geplagt und hat versucht, seine Frau ständig
zu überwachen und unter Druck zu setzen. Er fürchtete, dass sie ihn verlassen wollte, zusammen mit dem Jungen. Die Ehe der
beiden war längst tot.«
»Verstehe«, sagte er mit gepresster Stimme.
Wie ein eisiger Guss war ihm der Schreck durch die Brust gefahren und hatte ihm die Luft abgeschnürt. Auch er war verlassen
worden und krank gewesen |126| vor Eifersucht, war es eigentlich noch immer. Er sträubte sich gegen diese kompromittierende Nähe. Aber was ihn von Karbe
unterschied, war vielleicht die Tatsache, dass Claudia ihn verlassen hatte, als er ihr vorgeschlagen hatte zu heiraten. War
das am Ende seine Rettung gewesen?
So sachlich wie möglich, doch immer noch mit einem Räuspern in seiner Stimme, fragte er, wie Karbes Eifersucht sich geäußert
habe.
»Es wurde immer schlimmer, immer grotesker. Er hat versucht, sie mehr und mehr daran zu hindern, Kontakte mit anderen Menschen
zu haben. Anfangs hat er das noch zu begründen versucht. Er hat sie gedrängt, wegen des Jungen, der oft krank war, ihre Ausbildung
in der Bank aufzugeben. Obwohl das gar nicht nötig war, denn sie hatte ihre Eltern in der Nähe und konnte den Jungen tagsüber
dort abgeben. Aber dagegen hat er immer wieder opponiert mit Einwänden, die sie nicht verstehen konnte, von denen sie sich
aber beeindrucken ließ, weil er sie so hartnäckig und so leidenschaftlich vorbrachte. Sie hat gedacht, wenn ihm das so wichtig
erscheint, dann dürfe sie sich nicht darüber hinwegsetzen. Er ist der Vater des Kindes. Und Eltern müssen sich einig sein,
wie das Kind aufwachsen soll.«
»Sie hat also versucht, ihn zu verstehen?«
»Nein, ich glaube, sie hat bloß nachgegeben, weil er solchen Druck gemacht hat. Wie viele Frauen, die ihren Mann erst näher
kennenlernen, wenn sie verheiratet sind, hat sie versucht, sich anzupassen. Sie dachte, sie sei verpflichtet, ihre Ehe zu
retten.«
|127| »Wahrscheinlich auch wegen des Jungen?«
»Ja, sie hat es für den Jungen getan. Weil der Junge an seinem Vater hing.«
»Woher kennst du sie so genau?«
»Ich sagte doch, sie war mit Angelika befreundet. Die beiden haben zusammen die Banklehre gemacht.«
»Dann werden sie doch auch miteinander gesprochen haben, bevor Kerstin Karbe bei der Bank gekündigt hat.«
»Oft. Alle Bekannten haben ihr übrigens abgeraten. Aber Karbe hat ihr klarzumachen versucht, dass alle gegen ihn seien. Die
Kollegen, die alten Freunde, ihre Eltern – alle mischten sich in ihre Ehe ein, um sie auseinanderzubringen.«
»Ich nehme an, dass er das geglaubt hat.«
»Bestimmt. Deshalb war es auch überzeugend für sie. Eine Zeit lang hat sie seine Argumente übernommen, jedenfalls nach außen.
Das hat dazu beigetragen, dass sich die Leute auch von ihr zurückgezogen haben.«
»Verstehe.«
»Es war eine Verrücktheit zu zweit, wie es sie ja öfter gibt. Die Phantasie der totalen Ehe.«
»War sie eine schwache, ängstliche Person?«
»Das kann ich eigentlich nicht sagen. Sie war nur naiv. Und Karbe war absolut dominant, weil er so besessen war.«
»Er war ja fast zwanzig Jahre älter als sie, wie er mir gesagt hat.«
»Ja, er war älter und gebildeter. Als sie heirateten, |128| war er für sie eine Autorität. Und als er sie nötigte, bei der Bank zu kündigen und zu Hause zu bleiben, hat sie immer noch
unterstellt, dass er Gründe hatte, die sie nicht verstand, aber respektieren musste. Erst als er sie immer unverhüllter mit
seiner Eifersucht verfolgte, sind ihr die Augen aufgegangen.«
»Was hat er denn getan?«
»Er hat versucht, sie zu Hause einzusperren und sie ständig zu
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