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Der Himmel ist kein Ort

Der Himmel ist kein Ort

Titel: Der Himmel ist kein Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Wellershoff
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Händen kaltes Wasser in sein Gesicht, trocknete es
     ab und kämmte sich. Er sah mehr oder minder so aus wie er immer aussah in der letzten Zeit. Und es war ein Tag wie viele andere.
     Aber es gab einen Lichtblick: Am Abend war er eingeladen.
     
    Rainer und Angelika wohnten in einer Neubauwohnung im zweiten Stock, die er noch nicht kannte. »Hallo, komm herein!«, sagte
     Rainer, als er ihm die Tür öffnete. »Nun, wie ist es dir heute ergangen?«
    »Teils, teils«, antwortete er, während er in den Eingangsflur mit der Garderobe und einem bodenlangen Spiegel trat und das
     braune Papier von einem großen Blumenstrauß wickelte. »Musst du uns gleich erzählen«, sagte Rainer, der die Hand ausstreckte,
     um ihm das flüchtig zusammengeknautschte Papier abzunehmen. Es war wahrscheinlich verfehlt, zu dieser legeren Einladung einen
     so üppigen Strauß mitzubringen, aber Angelika, die in der Tür des Wohnzimmers erschienen |162| war, zeigte sich erfreut. Sie strahlte. Konnte man sagen von Kopf bis Fuß? Aber so war es. Er hatte das schon immer an ihr
     bewundert. Sie war eine Erscheinung. Ein leuchtender Gesamteindruck.
    »Oh, was für schöne Blumen«, sagte sie, nahm den Strauß in Empfang und hielt ihm beide Wangen hin, die er in zärtlicher Andacht
     küsste.
    Dann traten sie ins Wohnzimmer. Es sah hell und aufgeräumt aus. Wenige Möbel, ein Glastisch, einfarbige Kissen, ein flauschiger,
     fleckenlos weißer Teppich, der wohl neu war, wie manches hier. Auch die beiden nebeneinanderhängenden Landschaftsaquarelle,
     beides Meeresanblicke in einem expressionistisch dramatisierten Impressionismus, offenbar vom selben Maler. Vermutlich war
     der Stil der Einrichtung Angelikas Geschmack.
    »Schön habt ihr’s hier«, sagte er.
    »Aber du kennst es doch. Du warst doch schon hier«, sagte Angelika.
    »Manches kommt mir neu vor. Es ist irgendwie mehr Raum zwischen den Möbeln. Vielleicht wegen des hellen Teppichs.«
    »Mir fehlt etwas Chaos«, sagte Rainer. »Aber Angelika räumt immer wieder auf.«
    »Das könnte ich auch gebrauchen«, sagte er. »Ich blicke nicht mehr durch.«
    Als wollte er sich von etwas Unabänderlichem abwenden, sagte Rainer: »Trinken wir einen Prosecco?«
    »Warum nicht?«
    »Musst du immer erst alle Gegengründe ausschließen, bevor du dich zu etwas entschließt?«
    |163| »Ja. Ich brauche die sichere und optimale Situation.«
    »Dann müssen wir uns ja anstrengen«, sagte Angelika. »Aber jetzt versorg ich erst einmal deine Blumen.«
    Sie verschwand mit dem Strauß im Arm, eine anmutige Verkörperung der Göttin Flora. Wusste sie das oder geschah es ganz unbewusst?
    Seltsam, dachte er, wir benehmen uns wie Leute, die sich Vertrautheit und Leichtigkeit vorspielen, als wären wir uns fremd
     geworden.
    »Wie lange wohnt ihr jetzt hier?«, fragte er, obwohl er es wusste.
    »Fast ein Jahr«, sagte Rainer.
    »Leider kann ich euch immer noch nicht zu mir einladen. Das Pfarrhaus ist schlicht menschenfeindlich.«
    »Das kannst du doch ändern.«
    »Habe ich anfangs auch gedacht. Aber das Haus ist stärker als ich.«
    Er machte eine Pause. Dann fügte er hinzu: »Außerdem habe ich leider keine so tüchtige Frau wie du. Weißt du, was die Gefahr
     des Alleinseins ist? Man lässt sich ständig gehen, denn niemand schaut zu.«
    »Das kannst du doch auch ändern«, sagte Rainer.
    »Was denn? Mein Alleinsein oder meine Schlamperei?«
    »Beides«, sagte Rainer und schloss einen kurzen Vortrag über Gelegenheit und Initiative an, den er sich auch selbst hätte
     halten können. Sogar besser.
    Gleich danach trug Angelika den Blumenstrauß |164| in einer weißen Porzellanvase herein und stellte ihn mitten auf den Tisch. Er sah prachtvoll aus.
    »Gut so?«, hatte sie ihn gefragt.
    »Optimal«, hatte er geantwortet.
    »So hast du es ja auch gefordert. Aber jetzt möchte ich erst einmal einen Prosecco trinken.«
    Alle drei griffen nach ihren Gläsern.
    »Es gibt noch einen besonderen Anlass, auf den wir trinken müssen«, sagte Rainer, während er die Gläser vollschenkte. »Heute
     ist unser fünfter Hochzeitstag.«
    »Und das erfahre ich erst jetzt! Da bin ich ja froh, dass ich nicht mit leeren Händen gekommen bin. Ich hatte schon befürchtet,
     der Strauß sei zu pompös geraten. Ich konnte einfach nicht widerstehen in der Gärtnerei.«
    »Mit Blumen kannst du bei mir nichts falsch machen«, sagte Angelika. »Wo hast du denn den Strauß gekauft?«
    »Ich scheu mich, es zu sagen. In Hüngsbach, in der

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