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Der Himmel ist kein Ort

Der Himmel ist kein Ort

Titel: Der Himmel ist kein Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Wellershoff
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seinem Thema
     gekommen: »Es tut mir außerordentlich leid, Herr Henrichsen, dass ich erst jetzt kommen konnte. Sie haben sich zeitweise bestimmt
     auf einsamem Posten gefühlt. Aber ich hatte gleichzeitig viele andere Probleme. Zwei Pfarrämter mussten neu besetzt werden.
     Und wir hatten erschreckend viele Kirchenaustritte in der letzten Zeit. Ich war sehr oft unterwegs. Nicht zuletzt auch wegen
     der Vorbereitung der soziologischen und theologischen Debatte in der Akademie, die wohl großes Aufsehen erregen wird. Schließlich
     sind viele Dinge im Fluss. Ich habe zu meiner Freude in der Gästeliste auch Ihren Namen gesehen. Sie werden also kommen?«
    »Ich hab’s mir vorgenommen.«
    »Sehr gut. Sehr gut. Die neue Definition der pastoralen Theologie ist eine Überlebensfrage. Wir brauchen |198| Perspektiven. Vor allem für jüngere Leute wie Sie, die unsere Zukunft gestalten müssen. Hatten Sie nicht ursprünglich auch
     einen Vortrag zugesagt?«
    »Ja, aber ich bin nicht dazu gekommen, wegen der aktuellen Probleme.«
    »Ich habe oft an Sie gedacht, lieber Herr Henrichsen. Und ich habe Sie bewundert wegen der Konsequenz, die Sie bewiesen haben.
     Auch wenn es die Konflikte verschärft hat.«
    »Das war nicht meine Absicht.«
    »Das glaube ich Ihnen sofort. Es ging ja um schwierige Abwägungen und Gegensätze bei der Deutung des Geschehens.«
    »Ich habe eigentlich immer nur den Standpunkt vertreten, dass die Unschuldsvermutung zu gelten hat, solange nicht bewiesen
     ist, dass es sich um ein Verbrechen handelt.«
    »Juristisch und theologisch ist das korrekt. Selbst die Schuldigen dürfen wir nicht aus unserer Fürsorge entlassen. Aber wir
     müssen auch an die Opfer und an die Angehörigen denken. Tatsache ist, dass Sie ziemlich stark polarisiert haben. Viele haben
     das jedenfalls so empfunden. Auch die Presse.«
    »Die Presse hat den Konflikt angeheizt. Das hat mich genötigt dagegenzuhalten.«
    »Den Mechanismus kenne ich. Das Dumme ist, wir haben sechs neue Kirchenaustritte in Ihrer Gemeinde, und es kann durchaus sein,
     dass es noch mehr werden. Das können wir einfach nicht ignorieren. Haben Sie mal mit den Eltern der Verstorbenen gesprochen?«
    |199| »Ich hab’s versucht, aber leider keinen Termin bekommen.«
    »Ach so, das wusste ich nicht. Schade. Vielleicht können Sie das nachholen. Die Sieverts sind seit vielen Jahren unsere wichtigsten
     Sponsoren. Es sind großzügige Leute. Aber sie fühlen sich in ihren Rechten und in ihren Gefühlen nicht gebührend wahrgenommen«.
    Dr. Pauly seufzte. »Das ist alles sehr schwierig«, sagte er. »Ich kann nur hoffen, dass dieser unselige Konflikt bald zu Ende
     geht«, fügte er hinzu.
    Er machte eine lange Pause, als wollte er einen Teil der Krisenzeit, in der sie lebten, wortlos vergehen lassen. Dann sah
     er ihn wieder an.
    »Was ist Ihnen denn neulich im Gottesdienst passiert? Sie hatten einen Stimmausfall, habe ich gehört. Oder wie haben Sie es
     erlebt?«
    Er musste schlucken, bevor er antwortete: »Die Kehle hat sich mir zugeschnürt. Ich konnte nicht mehr atmen.«
    »Das ist eine Stressfolge, die wir kennen. Sie sind nicht der Erste, der darunter zu leiden hatte. Ich weiß, es ist schrecklich.«
    »Es ist ein Grund zu sterben«, sagte er.
    »Langsam, langsam«, sagte Pauly und legte eine Hand auf seinen Unterarm.
    »So machen Sie es nur noch schlimmer. Lassen Sie uns ein Stück spazieren gehen, dann reden wir darüber.«
    »Gerne!«, sagte er.
     
    |200| Als sie draußen waren und er seinen gewohnten Weg aus dem Ort hinaus einschlug, fragte ihn Pauly, ob sie in dieser Richtung
     zum Baggersee kämen.
    »Nicht direkt«, antwortete er. »Und es ist auch etwas zu weit.«
    »Ich glaube, ich bin sogar daran vorbeigefahren«, sagte Pauly. »Es kam mir ganz ungefährlich vor.«
    »Ist es auch«, sagte er.
    »Was ich fragen wollte«, begann Pauly wieder. »Hatten Sie, als Sie diese plötzliche Sprachstörung bekamen, ein Problem mit
     dem Text?«
    »Ja«, sagte er. »Aber es kam völlig überraschend.«
    »Es handelte sich um das Glaubensbekenntnis, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Was ist denn in Ihnen vorgegangen?«
    Er zögerte. Dann sagte er: »Es war der totale Schrecken. Ich musste plötzlich denken, alles, was da steht und was ich immer
     gesagt habe und jetzt wieder sagen soll, glaube ich nicht. Weder die Erschaffung von Himmel und Erde durch Gott noch seine
     eigene Existenz. Und auch nicht die Auferstehung Christi, seine Himmelfahrt und seine Wiederkehr

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