Der Himmel kann noch warten
sagte ich.
Die Autofahrt dauerte lange. In der ersten halben Stunde sagten wir nichts. Dann verteilte Renate Bonbons.
Mich kannst du nicht bestechen
, dachte ich. Aber ein Bonbon konnte nicht schaden.
Es war schön im Freizeitpark. Dabei hatte ich mir vorgenommen, dass es doof sein würde. Ich verstand nicht die Bohne. Wie konnte es mit einer Hexe schön sein? Einmal musste ich sogar über einen Witz lachen, den sie machte. Das fand ich so was von dumm von mir. Also sagte ich schnell etwas Unfreundliches hinterher.
Am Ende des Tages brachten Papa und Renate mich zu Mama. Ich stieg aus dem Auto und Renate sagte viel zu lieb »Tschüss« zu mir. »Tschau«, antwortete ich. Aus Versehen und mit Absicht. Ich wusste, dass Papa es verstand.Er traute sich aber nicht, was zu sagen. Stattdessen rief er: »Tschüss, Prinzesschen!«, und dann fuhren sie weg.
Mama fragte, ob es ein schöner Tag gewesen sei. Ich erzählte, dass Renate mit dabei gewesen war.
»Wer?«
»Renate.«
»Ist das …«
»Ja.«
»Und, ist sie nett?«
Ich wollte antworten, was Mama hören wollte. Dass sie eine Hexe war. Aber es gelang mir nicht. Ich musste nur ganz doll weinen.
»Mein Liebes«, sagte Mama.
Ich ließ mich umarmen. Das war schön. Mama glaubte, dass sie alles verstand. Aber das war unmöglich. Ich verstand es ja noch nicht einmal selbst.
Nach einer halben Stunde kommt Mama wieder herein. Sie riecht nach Zigaretten. Ich weiß, dass sie mindestens drei geraucht hat.
»Na?«, fragt Mama. »Wo bleibt der Kerl?«
»Wer?«
»Robert.«
»Ach, Papa.«
»Ja, der.«
Ich schüttele den Kopf. »Der kommt nicht mehr.«
»Schön.« Mama setzt sich wieder auf ihren Stuhl. Sie will zwar vielleicht etwas sagen, aber wenn es um Papa geht, gelingt ihr das häufig nicht. Also sagt sie nichts. Und setzt den Ich-verstehe-alles-Blick auf. Genau so lange, bis ihr ein neues Thema eingefallen ist.
»Nanu!«, sagt Mama.
»Was: nanu?«
»Du bekommst schon ein klein wenig Brust!«
Igitt. Wie kann sie das nur sagen?
Ein klein wenig Brust
. Dazu noch mit einem Ausrufezeichen.
»Ja«, sage ich.
»Wirst ein großes Mädchen«, sagt Mama.
»Das wissen wir nicht«, sage ich.
Mama schaut mich lange an. Sie schüttelt den Kopf. »Du wirst eine Frau«, sagt sie.
»Mit Brüsten«, sage ich hinterher.
Mama nickt. »Mit Brüsten«, wiederholt sie.
Ich warte kurz. Ich zähle bis fünf. Das ist lange genug.
»Ma?«
»Ja, Liebes?«
»Wusstest du, dass von neun Frauen eine Brustkrebs bekommt?«
Mama schaut in die andere Richtung. Quer durch die Wand hindurch. Wieder schüttelt sie den Kopf.
»Belle«, sagt sie, »ich habe dich so verdammt lieb.«
Mama wird einfach nicht wütend. Ich versuche etwas anderes.
»Ma?«
»Liebes.«
»Wieso rauchst du noch?«
Der sitzt. Wenn ich vom Rauchen anfange, bekommt Mama einen roten Kopf. Sie schämt sich in Grund und Boden. Sie weiß nicht, was sie sagen soll. Sie weiß nämlich nicht, weshalb sie raucht.
»Ich werde aufhören«, sagt Mama.
»Das sagst du immer.«
»Ich weiß, Liebes, aber ich versuche es auch wirklich immer.«
Ich schüttele den Kopf. »Musst dir einfach mehr Mühe geben, Ma.«
»Belle«, sagt Mama, »du hast recht.«
Natürlich habe ich recht. Mama soll einfach aufhören.
Ich weiß noch einen guten.
»Ma?«
»Was ist?«
»Wenn du nicht aufhörst, darfst du nicht mehr hierherkommen.«
Mama wird noch röter.
»Du stinkst immer so«, sage ich. »Und es ist lächerlich, dass du noch rauchst.«
Sehe ich eine Träne? Ja klar. Sie weint schon wieder. Nicht zu glauben.
»Hör auf, Belle!«, sagt Mama.
Und, ist sie jetzt wütend? Habe ich es endlich geschafft?
Ich drehe mich um. Ich fühle mich krank.
AB IN DIE TOSKANA
Jani ist wieder da. Aber er plappert nicht mehr. Er schläft fast nur noch. Und wenn er wach ist, ächzt und schnauft er leise und sieht fern. Und dann schläft er wieder ein. Jetzt ist Jani gerade wach. Er hat Besuch.
»Janimann«, sagt ein Mann mit einem Schnurrbart. »Wir sind da, Junge.«
Ich würde es mir nicht gefallen lassen, dass mich jemand so nennt. Aber vielleicht ist der Mann mit dem Schnurrbart ja Janis Vater. Dann ist dieses »Janimann« lieb gemeint.
»Grüß dich, Papa«, sagt Jani.
Hab ich’s nicht gesagt? Neben dem Mann mit dem Schnurrbart steht eine Frau mit einem Rock. Wenn Janis Eltern noch zusammen sind, dann ist das bestimmt seine Mutter. Sie guckt etwas merkwürdig. Etwas glasig. »Fromm«, würde Opa sagen.
Der Mann mit dem Schnurrbart
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