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Der Himmel schweigt

Der Himmel schweigt

Titel: Der Himmel schweigt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Delrio
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Sommer 3133
    Machtspiele
    Raumhafen, Vier Städte, Tigress Präfektur IV, Republik der Sphäre
    April 3133, Sommer
    Es war ein klarer, blendend heller Tag auf Tigress. Die Luft über dem Raumhafenfeld flimmerte in hochsommerlicher Hitze. Dann erzitterten Boden und Luft gleichermaßen unter einem schweren basstiefen Wummern, und am Himmel über dem Feld kam ein Objekt in Sicht. Erst nur als ein Punkt, dann wuchs der Punkt zu einer Scheibe und schließlich zu einem riesigen, stetig sinkenden Landungsschiff, das mit lodernden Triebwerken aufsetzte. Die Stahlwölfe kehrten in die Vier Städte heim.
    Die Kämpfe auf Achernar waren ein Erfolg gewesen, zumindest für die Wölfe, die Ehren und Beförderungen gewonnen hatten. Doch nicht alle Rückkehrer waren zufrieden. Einige der Krieger blickten über die Kämpfe hinaus auf die langfristige Strategie und sahen, dass Achernar weiterhin selbst über sein Schicksal bestimmte, loyal zur Republik der Sphäre und weder unter der Herrschaft der Stahlwölfe noch unter der Lord Aaron Sandovals und seiner Marionette Erik Sandoval-Gröll stand. Die Verteidiger Achernars konnten sich damit brüsten, sich Kal Radicks Stahlwölfen gestellt und sie mit blutender Nase davongejagt zu haben. Und das war in Zeiten wie diesen einiges wert.
    Sterncolonel Anastasia Kerensky sah die langfristige Strategie so deutlich wie jeder andere, trotzdem lag Stolz in ihren Bewegungen, als sie das Landungsschiff Lupus verließ, die Lederjacke über einer Schulter, und die Sonne rote Glanzlichter auf ihr dichtes schwarzes Haar warf.
    Die Aufnäher und Verzierungen der Jacke erzählten eine interessante Geschichte. Sie verkündeten, dass ihre Besitzerin tatsächlich im soeben beendeten Feldzug gekämpft hatte, aber nicht auf der Seite des Clans. Anastasia grinste, als sie sich daran erinnerte. Sie hatte auf Achernar Spaß gehabt, hatte an der Seite der Einheimischen gekämpft und sich mit Kal Radicks Stahlwölfen gemessen. Hatte in MechKrieger Raul Ortega einen Kameraden und zeitweiligen Liebhaber gefunden. War Tassa Kay gewesen.
    Das Grinsen verblasste ein wenig. Raul Ortega war schließlich zu seiner einheimischen Braut zurückgekehrt und Tassa Kay war -nicht tot, das wäre zu weit gegangen, aber doch eingemottet, bis Anastasia wieder einmal das Bedürfnis verspürte, sich von den Ambitionen und Erwartungen zu befreien, die ein berühmter Blutname mit sich brachte. Und kein Blutname war unter den Clans berühmter als Kerensky.
    Aleksandr und Nicholas Kerensky hatten die Vorfahren der Clans aus den Trümmern des ersten Sternenbunds geführt und zu dem gemacht, was sie heute waren. Natascha Kerensky, die Schwarze Witwe, war als Teil einer Einheit von Söldnern - und geheimen Agenten der Clans - namens Wolfs Dragoner in der ganzen Inneren Sphäre berühmt-berüchtigt geworden. Anastasia ihrerseits hatte vor, den Ruhm der Kerensky-Blutlinie noch erheblich zu vergrößern.
    Dazu musste sie sich vorerst hier auf Tigress ein Fundament schaffen. Um das Ausladen und die Unterbringung ihres Ryoken II konnten sich die Hafenarbeiter auch ohne ihre Aufsicht kümmern, und ihn anschließend säubern und die Schäden beheben, die der Battle-Mech auf Achernar erlitten hatte. Natürlich würde sie ihnen dabei regelmäßig über die Schulter sehen, denn der Ryoken II war ihr Eigentum, ihre Waffe und Rüstung in der Schlacht, eine Erweiterung ihres körperlichen Ichs aus Metall und Myomer, und sein Zustand war für sie nicht weniger wichtig als die eigene Gesundheit. Aber Tigress war jetzt eine Clanwelt, und die Hafenarbeiter und War-tungsTechs hier kannten den Unterschied zwischen einer echten Kampfmaschine und einem umgebauten Stück Industriemaschinerie. In der Zwischenzeit hatte Anastasia etwas anderes zu erledigen.
    Ihr erster Halt war das Büro des Hafenmeisters. Der Hafenmeister war ebenso wie die Leute, die unter ihm arbeiteten, ein Stahlwolf der Arbeiterkaste, in diesem Fall ein Mitglied der mit Verwaltungsund Archivarbeiten befassten Unterkaste. Sein gelangweilter Gesichtsausdruck veränderte sich schlagartig, als sie sein Büro betrat. Offenkundig wusste er bereits, wer sie war. Nichts ist schneller als Tratsch, und Anastasia war klar, dass die Nachricht sich schneller aus dem Landungsschiff verbreitet hatte als dessen Passagiere: Eine Kerensky ist unter uns.
    »Sterncolonel?«, fragte er.
    Sein Tonfall klang respektvoll. Er war weder unterwürfig noch demütig - er war ein Wolf, auch wenn er kein Krieger war, und

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