Der Himmel ueber Dem Boesen
nachmittags lief, oder bei
Vestalia
bestellt hatten, während Merrily tagsüber höchstens zufällig einmal fernsah und sich
Vestalia
nicht leisten konnte. Sie war etwas verlegen, weil ihr das Gesicht von Jenny Box zunächst nichts gesagt hatte.
«Aber …» Ted wirkte gequält. «Sehen Sie sich doch mal die Kathedrale von Hereford an. Dort gibt es seit Jahren einen ziemlich großen Laden, praktisch direkt neben dem Hauptschiff.»
«Aber nicht
im
Hauptschiff», sagte Merrily. «Und die Kathedrale ist ein ganz kleines bisschen größer als die Kirche von Ledwardine. Wenn man dort beten möchte, findet man immer irgendwo eine ruhige Ecke.»
«Na ja, wenn …» James Bull-Davies fuhr sich durch die dünner werdenden Haare. «Wenn es um einen
ruhigen
Ort geht, gibt es ja auch noch die Bull-Kapelle, oder?»
Merrily sagte nichts. Selbst ihr war es schwergefallen, in der Bull-Kapelle zu beten.
Und wieder sprang Mrs. Box ein. «Ich respektiere, dass die Kapelle die letzte Ruhestätte Ihrer Familie ist, Herr Vorsitzender, aber ich bin bestimmt nicht die Einzige, die sie ein bisschen unheimlich findet, mit diesem bedrohlichen alten Grab und der Sandsteinplastik dieses Mannes, dessen Blick einem immer zu folgen scheint. Entschuldigung, das ist wahrscheinlich dumm von mir.»
James starrte Jenny Box an, wie schon mehrfach zuvor, obwohl er sie wahrscheinlich ebenfalls nie im Fernsehen gesehen hatte. Mrs. Box war attraktiv und von sanfter Schönheit. Ihre Haare warenrotblond und reichten nicht ganz bis zu den Schultern, sie trug nur wenig Make-up auf ihrem blassen Gesicht, aber nicht einmal das fahle Licht konnte ihrer Haut etwas anhaben. Sie wohnte in einem schmalen dreistöckigen Haus am Rand des Ortes, nah am Fluss – offenbar allein, obwohl es hieß, dass es irgendwo einen Ehemann gab, von dem sie getrennt lebte.
«Ja, das stimmt natürlich», gestand James überraschenderweise ein. «Wir brauchen Rückzugsmöglichkeiten. Dann müssen wir wohl auf Teds Vorschlag mit der Sakristei zurückkommen. Groß genug ist sie. Wir wollen ja weder Freizeitkleidung noch Picknickkörbe verkaufen.»
«Das … ist eine Möglichkeit.» Merrily hatte auch schon daran gedacht. Sie nutzte die Sakristei kaum mehr, seit dort eingebrochen worden war. Ihre klerikalen Requisiten hatte sie jetzt bei sich im Pfarrhaus, in der Kirche befand sich nur noch ein Schrank für den Messwein und ähnliche Dinge. «Ich meine, ich kann vermutlich auf die Sakristei verzichten, aber ich kann natürlich nicht für zukünftige Pfarrer sprechen.»
«Das ist ja jetzt auch nicht das Problem», raunzte James. «Wird doch vermutlich sowieso noch Jahre dauern, bis Sie weiterziehen, oder, Frau Pfarrer? Das sollte uns also nicht davon abhalten, inzwischen ein paar Tische und eine Kasse in die Sakristei zu stellen.»
«Wir bräuchten dort vor allem besseres Licht, James. Und ein paar Umbauten wären auch nötig. Das kostet.»
«Aber es gibt die Möglichkeit», sagte James. «Gott sei Dank. Wir überprüfen mal, was das kostet, und dann sehen wir weiter. Ja?» Er sah Merrily an; sie zuckte mit den Schultern.
Als sie eine halbe Stunde später die Sitzung beendeten, ohne dass irgendjemand darüber gesprochen hätte, ob ein Mobilfunkmast auf dem Kirchturm installiert werden sollte, war Merrilynicht besonders überrascht, dass Jenny Box auf dem Vorhof auf sie wartete. Sie trug eine braune Barbour-Jacke und einen weißen Schal.
«Haben Sie vielen Dank für …» Merrily zeigte vage auf die hinter ihnen liegende Halle. Sie fühlte sich klein und unelegant in dem dunkelblauen Schul-Dufflecoat, der Jane zu uncool war. «Ich werde dadrin manchmal etwas nervös. Ich glaube, das liegt am Licht. Aber wenn ich mit Sonnenbrille auftauchte, würde sicher jemand verbreiten, dass ich geschlagen worden bin.»
Jenny Box lächelte nicht. Onkel Ted Clowes kam zu ihnen herüber und legte Merrily gönnerhaft eine Hand auf die Schulter. «Du wirst sehen, es ist eine gute Idee. Tourismus ist Ledwardines Zukunft, das müssen wir alle akzeptieren.»
«Hoffentlich nicht die ganze Zukunft.»
«Na ja,
eine
andere Möglichkeit gibt es noch.» Er sah Jenny Box misstrauisch an. «Aber darüber sprechen wir ein andermal. Gute Nacht, die Damen.»
Ted setzte seinen Hut auf und schlenderte davon. Ein kleiner Sieg. Merrily bemerkte, dass ihm Jenny Box mit erstarrter Miene nachschaute. Im schwachen Licht der Lampe über dem Eingang der Gemeindehalle sah sie heute Abend zum
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