Der Himmel ueber Dem Boesen
herunterschauen konnten, ohne dass in Much Marcle irgendwer etwas davon ahnte.»
«Woher wissen Sie das?»
«Ich
kenne
ihn», sagte Huw, und in seiner leicht erhobenen Stimme klang Entsetzen mit. «Als die Polizei ihn nach Marcle zurückbrachte, hat er gesagt, er könne Geister auf den Feldern sehen. Hat gesagt, sie hätten ihn in seiner Gefängniszelle besucht. Rena, seine erste Frau, und Ann McFall – Anna hat er sie genannt. Hat gesagt, er hätte ihre Geister gesehen, aber später hat er es wieder zurückgenommen und meinte, das wäre bloß erfunden gewesen.»
«Und Sie», sagte Merrily leise. «Haben
Sie
irgendeinen Geist gesehen?»
Huw schnaubte. «Ich habe oben am Fingerpost Field gestanden und gedacht, wie schön diese Stelle ist, mit dem Blick hinunter auf die Kirche von Marcle und quer über das Tal zum Ridge Hill. Ich hatte einen … Ritus in der Tasche. Ein Gebet. Ein formaler …»
Merrily verlangsamte die Fahrt. «Einen Exorzismus?»
«Ich habe der Sache keinen Namen gegeben.»
«Für Fred West?»
«Zufällig ja.»
«Aber Sie können doch nicht … Sie können doch Fred West gar nicht exorzieren. Ganz gleich, wie böse er war, man kann keinen …»
Geist exorzieren
, wollte sie sagen. Man konnte nur eine dämonische Gegenwart exorzieren. Alles, was einmal menschlich gewesen war, zum Beispiel ein ruheloser Geist, konnte nur an den Schöpfer zurückempfohlen werden.
Doch sie sagte nichts mehr. Schließlich hatte sie alles, was sie darüber wusste, von Huw gelernt.
Er beugte sich vor, um über die von innen beschlagene Windschutzscheibe zu wischen, und sagte unvermittelt: «Was ist das denn? Was sind das alles für Lichter? Wer zum Teufel sind diese Leute?»
Merrily stieg auf die Bremse.
Und schon waren sie umzingelt.
Lols Kneipentour endete in einem Lokal am Wye. Der Biergarten erstreckte sich bis zum Ufer des stillen Flusses. Hier hatte er endlich das Mädchen gefunden, das sich Cola French nannte.
Am anderen Ende der Bar saß eine Gruppe. Die Leute waren unterschiedlichen Alters und wirkten allesamt ein bisschen aus der Mode gekommen. Eine etwas verblühte Frau trug einen violetten Bolero und schwarzen Lippenstift, ein kahlköpfiger Mann eine kunstvoll eingerissene Motorradjacke und silberne Armreife, und ein kleiner, dicklicher Typ mit einem langen roten Bart unterhielt die Gruppe mit seinen Späßen, bis Cola French ihm grinsend mit dem Zeigefinger auf die Brust tippte. «Jaz, du bist ein alter Lügenbold!»
«Und du bist ein Flittchen», sagte Jaz milde, worauf Cola in Gelächter ausbrach.
Dann sah sie Lol an der Tür stehen. Lol, der wenig trank, nie wusste, wohin mit sich, und dem so ein gemütlicher englischer Pub manchmal wie der einsamste Ort auf dem Planeten erschien.
«Hey!», sagte Cola. «Scheiße.»
An diesem Abend war ihr Haar weißblond und mit winzigen Glitzersternchen geschmückt. Sie trug dasselbe schwarze Top wie damals im alten Pfarrhaus. Es war noch nicht einmal acht Uhr, und schon schien sie betrunken: Cola French, die Autorin und Gelegenheitsaushilfe in einem Buchladen, deren Filmmanuskriptder große Dennis Potter persönlich geprüft hätte, wenn er nicht vorher abgekratzt wäre.
Sie löste sich von ihren Boheme-Freunden, ging leicht schwankend auf Lol zu und sah ihm in die Augen.
«Dieser Typ im … weiß nicht mehr, wie der Laden hieß, irgendein Pub eben … hat gesagt, dass ich von einem Kerl gesucht werde. Das warst wohl du.»
«Kann sein», gab Lol zu, den die Suche nach ihr in vier Bars in Ross geführt hatte, wo er jeweils einen Saft bestellt und misstrauische Blicke geerntet hatte.
Wenn du nur einen kleinen O-Saft willst und allein unterwegs bist, was willst du dann eigentlich hier?
«Das ist ja ein … Zufall», sagte Cola. «Und willst du wissen, warum?
Ich … weiß nämlich, wer du bist
.»
Sie tippte Lol mit dem Zeigefinger auf die Brust und trat dann einen Schritt zurück, als hätte sie ihn auf einem Fahndungsplakat gesehen. Darauf stemmte sie die Hände in die Hüften und begann leise zu singen.
«Wenn die Sonne scheint, ist das für mich kein Spaß,
bei Regen werden alle nass,
ich aber flüchte in die Unterführung, statt dass ich mich freute
an schönen Tagen wie heute.»
«Hey!», brüllte jemand. «Wenn heute Karaoke-Abend wäre, würde es an der verdammten Tür stehen!»
Cola sagte: «Mit diesem Song bin ich aufgewachsen. Meine ältere Schwester hatte das Album.
Hazey Jane II
, stimmt’s?» Sie
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