Der Himmel ueber Dem Boesen

Hassgestalt Jenny sogar mochte, dass sie ihre Sehnsucht nach einem echten spirituellen Halt nachvollziehen konnte.
    Jane hatte sich nicht getraut, Moira Cairns anzusehen, während sie all das erzählte. Schließlich war Moira in letzter Zeit ihre zweite Hassgestalt gewesen.
    «Jane.» Moira schaltete die Scheinwerfer aus. «Im Ernst. Was geht hier deiner Meinung nach vor?»
    «Ich vermute, dass Gareth Box in ihrem Haus ist und sie nicht zurückgehen will. Sie hat gesagt, er hätte ihre Kapelle entweiht.»
    «Und wie?»
    «Das weiß ich nicht. Sie hat nur auf den Anrufbeantworter gesprochen. Sie sucht Mom, aber im Pfarrhaus ist sie nicht. Jenny weiß nichts von der Beerdigung heute. Sie glaubt, die würde erst am Freitag stattfinden. Sie ist total durcheinander. Das konnte man ihr ganz klar ansehen.»
    «Na gut», sagte Moira. «Sollen wir erst mal feststellen, ob deine Mom wirklich noch nicht zurück ist?»
    Jane lächelte. «Bevor du dich zu weit aus dem Fenster lehnst?»
    «Wohnt ihr da vorne?»
    «Direkt hinter den Bäumen.»
    «Gut. Ich suche mir jetzt einen richtigen Parkplatz, und du stellst inzwischen fest, ob deine Mom zu Hause ist. Ich warte hier auf dich.»
    «Und dann?»
    «Wäre vielleicht ein bisschen verfrüht, die Polizei zu rufen. Am besten klingeln wir einfach mal bei dieser Frau.»
    «In Ordnung.»
     
    Als sie die Kapelle erreichten, dachte Merrily:
Stell vorsichtshalber lieber die ganze Geschichte nochmal in Frage
.
    Ihr Gefühl wurde bestätigt, als sie in der Vorhalle standen und Ingrid ihre Schlüssel herauszog, während Huw seine Tasche mit dem Messwein und den Hostien abstellte, zur Tür der Kapelle ging und dagegendrückte.
    Doch sie blieb zu.
    «Sie wollten, dass die Tür auf ist, oder?», sagte Merrily. «Ge nau wie wir es gehört haben.»
    Huw antwortete nicht. Er hob seine Taschenlampe, sodass Ingrid genügend Licht zum Aufschließen hatte.
Er wollte, dass die Tür auf ist. Er wollte, dass dadrin jemand auf ihn wartet.
    Von der Vorhalle aus hörte sie jemanden sagen: «Ist das die Tür, die manchmal offen sein soll, und wenn man reingeht, ist da etwas   …?»
    «Lol?» Merrily starrte den dunklen Umriss an.
    «Es ist nur, weil ich mit der Person gesprochen habe, die das alles in die Welt gesetzt hat», sagte Lol. «Lynsey Davies hat ihr gesagt, wie sie es machen soll. Wie so eine Art Experiment. Sie sollte sich in so ein Café in Ross setzen, in dem sich die Jugendlichen nach der Schule treffen, und diese Geschichte verbreiten.»
    «Das ist ja unglaublich.»
    «Das war vermutlich in null Komma nichts in der gesamten Schule rum», sagte Lol. «Danach hat sich Lynsey ab und zu Piers’Schlüssel ausgeborgt und die Kapelle aufgeschlossen. Also war sie manchmal offen und manchmal abgeschlossen, wenn jemand hinkam   …»
    Ingrid Sollars sagte erleichtert: «Ich hätte es bestimmt nie zugegeben, aber diese Sache hat mir Angst eingejagt. Wenn ich im Dunkeln noch einmal hierhermusste, habe ich Sam mitgenommen.» Sie sah Lol an. «Es tut mir leid, ich weiß nicht einmal, wie Sie heißen.»
    «Das ist Lol Robinson», sagte Merrily. «Er und ich   … wir sind wie Sie und Sam, nur noch heimlicher.» Sie lachte.
    «Schsch!», kam es ungeduldig von Huw. Er drückte die Tür zur Kapelle mit der Schulter auf. «Das ändert sich jetzt. Licht!»
    Ingrid folgte ihm in die Kapelle und schaltete das Licht an. Die nackten Glühbirnen strahlten auf und beleuchteten die ehemalige Baptistenkapelle von Underhowle in all ihrer schäbigen Pracht – und Hochwürden Huw Owen, der mit seinem leicht ergrauten Vogelscheuchenhaar und seinem fleckigen Priesterkragen auf einmal genau wie der Geistliche aussah, den diese Kapelle verdiente.
    «Was der Kerl gerade gesagt hat», sagte Huw, «macht es noch schlimmer. Dieses Miststück wollte ihm noch ein paar Jugendliche zum Fraß vorwerfen.»
    Er warf einen Blick auf die rohen Wände und die Abdecktücher, die von der Empore herabhingen. Dann ging er in eine etwas dunklere Ecke und zog eine Sperrholzkiste hinter sich her, die er gegenüber der Empore aufstellte.
    «Altar», sagte er.
     
    Die Tür ging einfach auf. Als Jane den Klopfer anheben wollte, schwang die Tür auf, und sie stolperte in die Dunkelheit von Chapel House hinein.
    Moira hielt sie von hinten fest und zog sie am Arm zurück.
    «Ich habe nur den Klopfer angehoben.»
    «Ich weiß», sagte Moira.
    «Warum hat sie die Tür offen stehen lassen? Das macht man nicht mal in Ledwardine.»
    «Absichtlich hat sie