Der Himmel über Garmisch (German Edition)
klar. Aber ich bräuchte auf jeden Fall was Schriftliches.«
»Von wem?«
»Dezernatsleiter. Oder höher.«
»Ich schau mal, was sich da machen lässt«, sagte Schwemmer und ging hinaus. War einen Versuch wert, dachte er.
In seinem Büro rief er seine Mails ab. Ruhes Zugangsdaten waren da. Link und Passwort funktionierten einwandfrei. Das Bild der Überwachungskamera zeigte geschäftiges Treiben rund um einen weißen Lieferwagen mit der Aufschrift »Alles für Ihre Party« in der Einfahrt der Villa. Menschen in weißen Jacken luden Dinge aus und trugen sie ins Haus.
Schwemmer klappte seinen Laptop auf. Er ging ins Netz und googelte »Spionagetechnik München«. Sekunden später erhielt er die Adresse eines auf Überwachungs- und Abwehrtechnik spezialisierten Ladens in der Dachauer Straße. Keine zwei Kilometer weg.
***
»Wie geht’s eigentlich deinem Knie?«, fragte Hardy.
»Es geht«, sagte Ula. »Viel tanzen werde ich nicht heute.«
Sie standen in der Küche, beide einen Kaffeebecher in der Hand, und versuchten, nicht im Wege zu sein. Es gelang nicht recht. Die Leute der Cateringfirma wuselten um sie herum, stapelten Geschirr, bauten Rechauds auf, schleppten gefüllte Töpfe und Schüsseln herein.
»Wenn was ist, ich bin auf meinem Zimmer«, sagte Hardy.
Er lief die Treppen hoch, schloss die Tür hinter sich und legte sich aufs Bett. Die Sonne stand noch nicht hoch genug, als dass sie in sein Dachfenster scheinen würde. Ein hoher Wolkenturm schwebte am Himmel. Er schloss die Augen.
Er fühlte, dass Marie sich neben ihn setzte.
Meine Kinder , flüsterte sie. Was tun sie nur?
»Ich weiß es nicht«, antwortete er.
Sie schwieg, und er spürte ihrer Nähe nach. Durch das offene Fenster hörte er die Stimmen der Leute, die unten im Garten mit den Festvorbereitungen beschäftigt waren.
Wird diese Frau gut für ihn sein? , hörte er Marie fragen.
»Für mich war sie gut«, sagte er. »Das weißt du.«
Sie antwortete nicht. In den ersten zehn Jahren, die er bei Carlo verbracht hatte, hatte sie kaum je das Wort an ihn gerichtet. Sie hatte es vermieden, allein in einem Raum mit ihm zu sein, hatte nicht zugelassen, dass er auf die Kinder aufpasste.
Und sie hatte gewusst, warum.
Erst, als er aus Ingolstadt zurückgekommen war, nach den vielen Stunden, die er in Therapie gewesen war, den vielen Gesprächen mit dieser Frau, hatte sie ihn akzeptiert.
Er hatte sich geändert.
Entwickelt, hatte die Therapeutin das genannt. Er erinnerte sich an den skeptischen Ausdruck in ihren Augen am Ende ihrer letzten Stunde, vor seiner Entlassung. Er hatte sich vorgenommen, sie nicht zu enttäuschen. Er war nicht sicher, ob es ihm gelungen war. Aber er hatte sich nichts vorzuwerfen.
Und Marie hatte ihm auch nichts vorgeworfen.
Das machte ihn stolz.
Wenn ich nur helfen könnte , sagte sie.
»Mir«, sagte er, »hilfst du.«
***
»Wir haben zwei der Blutspuren identifiziert. Eine Übereinstimmung in Österreich, eine bei uns. Zum einen ein Herr Peter Ultsch, geboren 29. März 1981 in Linz, Österreich, wohnhaft gemeldet in Mittenwald. Die Kollegen waren da, da ist keiner zu Hause. Die Nachbarn werden gerade befragt. Ultsch ist in Österreich vorbestraft wegen Brandstiftung, 1999 drei Monate Jugendhaft wegen Drogenbesitzes.«
Schwemmer notierte die Daten.
»Die andere Blutspur passt zu Rainer Haddow, geboren 1975 in Lübeck, gemeldet seit 2005 in Bad Bayersoien. Vorbestraft wegen Drogenhandels, Körperverletzung und räuberischer Erpressung. War in Norddeutschland Mitglied einer Rockergang.«
»Ich schau mal nach Verbindungen.«
»Die beiden weiblichen Blutspuren konnten nicht zugeordnet werden, stammen aber von eng verwandten Personen. Nach Lage der Dinge also wahrscheinlich von der Morgenbraun und ihrer Mutter.«
Schwemmer tippte mit dem Kuli auf seinen Block.
Nicht die alte Frau, hat er gesagt. Im Schlaf. Zwei Mal.
»Was ist?«, fragte Schafmann.
»Oh … nichts, ich war in Gedanken. Hast du noch was?«
»Nein. Das war’s. Keine Spur von Toten oder Verletzten. Die Hundestaffel hat die ganze Gegend durchkämmt. Wir fahren das volle Programm, kommt aber nichts bei raus.«
»Wusstest du übrigens, dass Grellmayer doch nicht weg ist?«, fragte Schwemmer. »Der verbringt seinen Urlaub in Garmisch.«
»Nein. Aber du weißt auch, dass mich das gar nicht interessieren darf. Wie du gestern sagtest: Der Mann ist in seinem wohlverdienten Urlaub.«
»Und trifft sich da mit der Familie Unterwexler.«
Schafmann
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