Der Himmel über Garmisch (German Edition)
schlaglöchrig, und das Gittertor hing schief in den Angeln. Umso mehr strahlte die rote Metalliclackierung eines Mercedes-Kombis, der vor der Tür stand. Schwemmer stellte den Polo daneben ab.
Eine Klingel war nicht zu finden. Er klopfte an die Tür, und es dauerte eine Weile, bis sich drinnen etwas rührte. Eine zerbrechliche alte Frau, die einen geblümten Kittel trug und ein blaues Tuch um die Haare geschlungen hatte, öffnete. Sie sah ihn stumm fragend aus rot geweinten Augen an.
»Frau Brugger?«
Sie nickte nur.
Schwemmer stellte sich vor und erläuterte sein Anliegen. Als er den Bruggerbauern erwähnte, begann die Frau zitternd zu schluchzen und nestelte ein kariertes Taschentuch aus ihrer Kitteltasche. Schwemmer beeilte sich, ihr sein Beileid auszudrücken, aber es dauerte einige Augenblicke, bis sie sich gefangen hatte.
»Da war doch scho jemand und hod gfrogt«, sagte sie. »I woaß nix üba an Stadl.«
Drinnen im Haus knarrten Stiegenstufen.
»Wer ist denn da, Mutter?«, fragte eine Frauenstimme.
»Polizei, scho wieda.«
Hinter ihrer Mutter erschien eine Frau mittleren Alters in der Tür. Sie trug ein helles Trachtenkleid, war sorgfältig frisiert und fixierte Schwemmer mit einem Blick, den er herausfordernd fand.
»Frau Morgenbraun, nehme ich an. Schwemmer ist mein Name.« Er hielt ihr seinen Dienstausweis hin, den sie distanziert musterte.
»Ich habe Ihrem Kollegen schon am Telefon gesagt, dass ich über diesen Stadel nichts weiß«, sagte sie. »Was ist denn eigentlich damit? Kann man wenigstens erfahren, um was es geht?«
»Aus ermittlungstaktischen Gründen momentan noch nicht.«
»Ich kann ja einfach nachschauen. Ist ja mein Stadel.« Mittlerweile ließ sie keinen Zweifel mehr daran, dass ihr Blick herausfordernd war.
»Sie dürfen nicht hinein«, sagte Schwemmer. »Er ist noch versiegelt.«
»Sie wollen mir verbieten, mein Eigentum zu betreten?«
»Das ist die Rechtslage. Sie würden mindestens eine Ordnungswidrigkeit begehen.«
Sie schnaubte verächtlich.
»Also weder Sie noch Ihre Mutter wissen, von wem der Stadel genutzt wurde.«
»Wissen Sie doch schon. Fragen Sie den Adi.«
»Sie meinen den Herrn Pröbstl, oder? Das werden wir tun. Wissen Sie denn überhaupt genau, von welchem Stadel wir reden?«
»Nein. Aber ich weiß von keinem Stadel was. Mutter auch nicht. Stimmt’s, Mutter?«
»Naa. Nix woaß i.«
Keine der Damen schien die Absicht zu haben, ihn hereinzubitten. Schwemmer sah sich demonstrativ um. »Wirtschaftlich scheint es ja nicht so gut zu laufen auf dem Hof.«
»Ist das neuerdings ein Verbrechen?«
»Natürlich nicht. Ich dachte nur, dass eine gewinnbringende Nutzung so eines Stadels vielleicht nicht unwillkommen gewesen wäre.«
»Da haben Sie recht. Nur wissen wir von nichts.«
»An neien Fernseher hod er gkauft«, sagte die Mutter plötzlich. »Und vier Wochen später is er gstorbn.«
»Ihr Mann hat den Fernseher gekauft?«, fragte Schwemmer freundlich.
»I hob mi gwundert. Eigentlich hod er imma gsagt, da wär koi Geld.«
»Sei stad, Mutter«, sagte die Tochter.
»D’ oide war scho lang hie. Musst imma draufschlogn, zweng dem Flackern.«
»Für einen Fernseher hat’s bei Vater allemal noch gereicht.«
»Mei, aber so an großer«, wandte ihre Mutter ein.
»Kostet doch alles nix mehr, heutzutage«, sagte Frau Morgenbraun.
»Werden Sie den Hof weiter betreiben?«, fragte Schwemmer.
»Ha!«, stieß sie hervor. »Mich mit der internationalen Agrarmafia anlegen? Das tät denen so passen. Das Land wird verpachtet. Da soll sich ein anderer mit ruinieren.«
»Aber Sie wohnen hier?«
»Ja. Nach dem Tod meines Vaters bin ich wieder hergezogen. Mutter kann nicht mehr allein, nicht wahr?«
Die Angesprochene machte ein Gesicht, als wolle sie ausspucken, sagte aber nichts. Stattdessen drehte sie sich um und ging in die Diele. Schwemmer und ihre Tochter sahen ihr nach, bis sich die Küchentür hinter ihr geschlossen hatte.
»Sie scheint nicht ganz Ihrer Meinung zu sein«, sagte Schwemmer.
»Was wissen Sie schon«, zischte Frau Morgenbraun. »Sie hat doch keine Ahnung mehr, was überhaupt vor sich geht.«
»Was geht denn vor?«, fragte Schwemmer, erhielt aber nur eine wegwerfende Geste zur Antwort. »Wohnt Ihr Gatte auch hier?«, fragte er und zückte seinen Notizblock.
»Den gibt’s nimmer.«
»Sie sind geschieden? … Verwitwet?«
»Ja.«
»Mein Beileid.«
»Das könn’ Sie sich schenken.«
Schwemmer wartete einen Moment auf eine Erklärung,
Weitere Kostenlose Bücher