Der Himmel über Garmisch (German Edition)
Vergewaltigungsopfers zu fragen, aber sie kam ihm zuvor.
»Das Mädchen, von dem du den Namen wissen wolltest«, sagte Silvia, »ich hab heut kurz in die Akte sehen können, die heißt Lena Rotloff und wohnt Breitackerweg 25 in Grainau, das müsste Hammersbach sein, wenn ich mich nicht irre. Ist das die Enkelin von deinem Freund?«
»Nein, Gott sei Dank nicht, ich hab ihn gefragt, sie heißt Susanne. Aber vielen Dank, toll, dass du dran gedacht hast.«
»Für dich doch immer, mein Großer. Dicker Kuss.«
»Dir auch, mein Liebes. Ich muss Schluss machen.«
Er unterbrach die Verbindung und atmete tief durch. Langsam wurde es wirklich Zeit, dass sie aus Garmisch verschwanden.
***
Mit alten Knechten im Krankenhaus verband Schwemmer keine allzu guten Erinnerungen. Das letzte Mal hatte es mit einem k. o.-geschlagenen Krankenpfleger geendet. Aber der Pröbstl Adi war definitiv nicht in der Form für körperliche Auseinandersetzungen. Ein Schlauch führte in seine Nase, einer in eine Kanüle an seinem Handgelenk, und einer kam unter seiner Decke hervor und endete in einem Urinbeutel. Der Blick, mit dem er Schwemmer ansah, war müde und interesselos.
»Polizei? Was wollts denn von mia?«
Schwemmer zog einen Hocker neben das Bett und setzte sich.
»Es geht um euern Stadel, droben im Wald.«
»Welcha?«, fragte Adi.
»Der alte, den ihr kaum noch benutzt habt.«
»Ganz drobn der?«
»Genau.«
»Hob i mia denkt, dass des an Ärger gibt«, schnaufte Adi.
»Ach ja? Erzähl.«
»Der Bauer hod’s eane verboten, aber die ham sich ned drum geschert.«
»Wer?«
»So junge Leit. Zwoa Burschn mit lange Haar. I woaß ned, was die da gtrieben ham. I war da droben, zwoa Tag bevor der Bauer gstorben is. Da war an neies Schloss auf dem Tor. I wusst ned, was i machn sollt, und hob’s dem Baurn verzählt. Tags drauf is er naufi, und da warn diese zwoa Burschn. Die hobn gsagt, sie hättn an Erlaubnis von der Hanna.«
»Die Hanna ist die Tochter vom Bauern, oder? Die Frau Morgenbraun?«
»Ja freili. Und als der Bauer gsagt hod, dass die Hanna da fei gar nix zum Sagen hod, da hobn’s ean ausglacht und furtgjagd, aus seim eignen Wald. Das muaßt dia vorstelln. Und am nächstn Dag war er hi, der Bauer. ’s Herz hod nimmer mitmacht. Hod der Doktor gsagt.«
»Und woher weißt’ das alles?«
»Na, der Bauer hod’s mia verzählt. I wollt naufi mit der Flintn, aber der Bauer hod’s ned erlaubt. Zu vui Ärger, hod er gsagt.«
»Also selber hast du die Männer nicht gesehen?«
»Naa, hob i ned.«
»Schad …«
»An Blonder und an Dunkler mit Locken, hod der Bauer gsagt.«
»Was hat denn die Hanna dazu gemeint?«
»Des woaß i ned. Aba an Streit hod’s gebn, des hob i ghört bis na draußn.«
»Konntest’ verstehen, was sie gesagt haben?«
»Naa. I hob mi rausgehoidn. Die Hanna, die is scho a Beißzanga. Mit der leg i mi ned o.«
»Und nachdem der Bauer gestorben war, bist du auch nicht mehr rauf zu dem Stadel?«
»Was sollt i da? Außerdem: Die Hanna wollt mi eh nimmer auf dem Hof. I bin in Rente. Und krank worden bin i. Geht mi nix mehr o.«
»Seit wann ist denn die Hanna eigentlich wieder auf dem Hof?«
»Sechs Monat, denk i. Seit ihr Mann gstorbn is. Des war auch an Sauhund, an dreckiger. Und an Preiß war er.«
»Bekommt Hanna Besuch auf dem Hof?«
»Woaß i ned.« Adis Blick wurde misstrauisch. »Warum frogsd mi des? I schwärz koan an. Aa ned, wenn i ean ned mog.«
»Mit mir red’ sie nicht, die Hanna. Da dacht ich, ich frag dich.«
Adi stieß ein kurzes heiseres Lachen aus. »I woaß nix üba die Hanna. Was sie da macht, mit ihre Bücha, i hob kei Ahnung. Brauch i a ned.«
Er schloss die Augen und räusperte sich ein paarmal, immer heftiger, dann wurde aus dem Räuspern ein Husten, das nicht mehr enden wollte. Schwemmer zögerte, aber das Husten hörte nicht auf. Schließlich drückte er auf den Rufknopf, und als nichts geschah, ging er zur Tür, um auf dem Gang nach Hilfe zu rufen. Es dauerte eine endlose Minute, in der der Pröbstl Adi seine Seele auszuhusten schien, bis ein Pfleger auftauchte, der sich nach einem kurzen Blick ins Zimmer im Laufschritt wieder entfernte. Schwemmer hoffte, um Medikamente zu holen. Tatsächlich tauchte er Sekunden später wieder auf, eine Nierenschale mit einem Spritzbesteck in den Händen, und schloss die Zimmertür hinter sich. Schwemmer ging zum Arztzimmer und klopfte. Er hatte Glück, es war besetzt. Eine junge dunkelhäutige Ärztin öffnete und sah ihn
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