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Der Himmel über Kasakstan

Der Himmel über Kasakstan

Titel: Der Himmel über Kasakstan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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gemacht? Was habt ihr mit mir gemacht?! Oh! Oh!«
    Wanda Kolzwoskaja umklammerte ihn, drückte sein heißes Gesicht an ihre Brust und streichelte über seine schweißnassen Haare.
    »Boris«, stammelte sie. »Boris … Ich wollte nur … Ich wollte –«
    Sie weinte plötzlich. Röchelnd lag Boris in ihren Armen … seine Haut wurde rot … es war, als dränge das Blut von innen durch die Poren, als verbrenne er wirklich, als zuckten die Flammen schon unter der Haut.
    Da ließ sie den Körper zurückfallen auf das Bett, warf die restlichen Ampullen auf den Boden und zertrat sie in sinnloser Wut. Sie zerstampfte das Glas und die milchige Flüssigkeit, daß die Dielen dröhnten, immer und immer wieder trat sie darauf herum, mit verzerrtem Gesicht und aufgerissenem Mund, als wolle sie laut schreien und könne es nicht, weil sie erstickte.
    Dann warf sie sich wieder neben den röchelnden Boris auf das Bett, umarmte ihn, legte ihr Gesicht an seine Schulter und weinte.
    Zwischen Wildheit und Schmerz hin- und hergerissen, biß sie in die Kissen und wartete darauf, daß der stöhnende Mann in ihren Armen starb …
    *
    Weder die Vorarbeiterin der Lagerwäscherei noch die anderen Mädchen wußten, daß Olga Puronanskija zum erstenmal Angst vor ihrer eigenen Grausamkeit bekommen hatte und nun ein tiefes Geheimnis mit sich herumtrug.
    Sie hatte Erna-Svetlana nicht in den Waschkessel und die kochende Lauge stoßen können, aber sie hatte das Mädchen weggeschafft … zum anderen Ende des Lagers, wo die Küchen lagen und die eigene Bäckerei. Dort besaß Olga einen Freund, der als Natschalnik in der Bäckerei arbeitete, einen dicken Weißrussen mit dem merkwürdigen Namen Jossif Kaledin. Er war vor 10 Jahren als Deportierter nach Ust-Kamenogorsk gekommen, weil er sich geweigert hatte, das Ablieferungssoll seiner privaten Bäckerei um 45 Prozent zu erhöhen. Man legte dies als reaktionär aus und schickte ihn in das Altai-Gebirge mit der Absicht, ihn dort verfaulen zu lassen.
    Als er in Ust-Kamenogorsk ankam, suchte man gerade einen guten Bäcker … so kam er sofort wieder an den Backtrog und den Brotofen, verstand es, mit heimlich gebackenen Kuchen und Torten den Kommandanten zu begeistern und erhielt nach vier Jahren die Befähigung, die Lagerbäckerei zu leiten.
    Jossif Kaledin steckte Erna-Svetlana dorthin, wo sie am wenigsten mit anderen Menschen in Berührung kam … sie wurde Putzfrau des Natschalniks.
    »Wenn die Kolzwoskaja merkt, daß Svetlana gar nicht geflüchtet ist, sondern hier arbeitet, können wir uns einen Strick um den Hals binden«, sagte Olga Puronanskija zu ihrem Freund Jossif.
    »Keine Angst, golobuschka (mein Täubchen)«, sagte Jossif Kaledin. »Man sollte dem Aas Rattengift in das Extrabrot geben.«
    »Dann kommt eine neue Kolzwoskaja, die genauso schlimm ist. Denk fünf Jahre zurück … Da war die Anikuschka hier als Ärztin. Alles atmete auf, als sie im Suff starb. Und wer kam? Die tolle Wanda! Man wird uns keine lieben Seelchen ins Lager schicken, sondern die Weiber, vor denen selbst der Teufel zittert.«
    »Ich werde sie gut verstecken«, sagte Jossif.
    »Vielleicht brauchen wir sie noch einmal.« Olga Puronanskija beugte sich zum Ohr Kaledins vor und flüsterte ihm zu. »Sie ist aus Alma-Ata eingewiesen worden! Verstehst du?«
    »Bin ich ein Idiot, Olgaschka?« Jossif lächelte und zwinkerte mit den Augen. »Mütterchen Rußland hört mit vielen Ohren, und es lächelt mild, wenn man richtig bläst …«
    Zufrieden ging Olga zurück zu ihrer Wäscherei. Jossif ist ein kluger Mann, dachte sie. Fast ein Philosoph. Wenn wir alle frei wären, könnte es schön sein, seine Frau zu sein.
    Während die Mädchen arbeiteten und die Schlafbaracke verlassen war, räumte sie den Spind Erna-Svetlanas leer, verstaute die wenigen Sachen in einen Korb und trug ihn hinüber zur Bäckerei. Dann rannte sie zu Wanda Kolzwoskaja und berichtete atemlos von dem Verschwinden des Mädchens.
    Sie wußte nicht, daß sie damit eine Panik auslöste, an deren Ende ein stöhnender Mann lag, geimpft mit Eiterbazillen und einer achtfachen Menge Penicillin, und eine Ärztin, die zum erstenmal in ihrem Leben etwas wie Reue spürte oder mehr noch – eine wilde Verzweiflung vor dem, was sie getan hatte.
    Still, wortlos, mit leeren Augen tat Erna-Svetlana in der Baracke Jossif Kaledins ihre Arbeit, wie sie vordem wochenlang in den dampfenden Waschkesseln gestanden hatte. Sie putzte, sie flickte, sie kochte den abendlichen kapusta und

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