Der Himmel über Kasakstan
noch, wie der geizige Tagaj als Ersatz für Wodka uns ein Klavierkonzert in der stolowaja vorspielen wollte?! Ein Konzert für einen Wodka … so kann auch nur ein Idiot wie Tagaj denken! Aber Boris ist ein richtiger Freund der arbeitenden Klasse: Er gibt ein Festchen mit Kasch, Borschtsch, einem Hammelbraten und vielen Schnäpschen! Sie haben schon geschlachtet! Und heiraten wollen sie auch … noch diesen Monat! Das gibt ein neues Festchen!«
Er rieb sich die Hände, ging in die Banja, machte sich ein dampfendes Saunabad und lag dann faul und zufrieden und voller Vorfreude auf der Holzpritsche, schwitzend und grunzend.
Auf der Datscha war eigentlich nichts anders geworden. Die Korbmöbel Borkins waren noch da, der Papagei, die Nagaika, mit der ihn Boris erschlagen hatte, die Blumen auf der überdeckten Veranda … nur die Hunde fehlten und der alte Fedja mit seiner vollbusigen Sussja. Neue Arbeiter waren gekommen, entlassene Sträflinge, junge Bauern, die aus den umliegenden Dörfern kamen und Söhne von Wolhyniendeutschen waren. Sie sahen scheel zu Boris auf, denn es ging zwischen Judomskoje und Undutowa das Gerücht, daß Boris Horn seine deutsche Art verraten und als guter Bolschewist sich seine Datscha mit diesem Verrat an seiner Abstammung erkauft habe.
»Seinen Vater haben die Russen erschlagen wie einen tollen Hund«, flüsterte man in den Dörfern rund um den Balchasch-See. »Aber der Boris hat es vergessen. Und wißt ihr noch, was man mit Vera Petrowna, der Mutter Svetlanas, gemacht hat? Es ist eine Schande, daß die Jugend alles so schnell vergißt!«
Sie hatten es nicht vergessen – aber sie kamen in einen Trubel und in eine ihnen fast unheimliche Freundlichkeit der Regierungsstellen hinein, die ihnen manchmal wie ein Traum erschien.
Die Datscha bekam eine neue Mähmaschine mit gekoppeltem Drescher und Binder, sie wurde Bullenstation, sie erhielt einige Eber und wurde Schweinezuchtanstalt … Konjew konzentrierte alles auf die Datscha und überschüttete Boris und Svetlana mit immer neuen Freudenmeldungen.
Allerdings tat es Konjew nicht umsonst. Wenn alles auf der Datscha ist, bin auch ich immer auf der Datscha, hatte er bei Beginn seiner Aktion gedacht. Sie wird nie ohne Kontrolle sein – und wenn etwas falsch gemacht wird, ist es die Schuld von Boris! Wir geben ihm alles … aber wir haben damit auch die Macht, ihm alles wieder zu nehmen, wenn der Wind sich wieder drehen sollte. Mütterchen Rußland ist launisch … und der gute Russe baut sich immer ein Türchen nach draußen. Einmal wird vielleicht der fleißige Konjew auf der Datscha sitzen und walten wie ein kleiner Bojar! Wenn er daran dachte, konnte er die Augen schließen und glücklich lächeln. Marussja sah ihn dann immer kritisch an und schüttelte den Kopf.
»So blöd kannst auch nur du sein«, sagte sie grob und riß Konjew aus seinen Illusionen. »Solange Tschetwergow dein Freund ist, bleibst du immer die Matte, auf der sich die anderen ihre Stiefel wetzen.«
Das Fest auf der Datscha war herrlich.
Unter dem Schein von Lampions und Fackeln, Kerzen und Öllampen wurde der ganze gebratene Hammel aufgebaut. Konjew hielt eine Rede, die in dem Satz gipfelte: »Das Proletariat ist eine welterobernde Realität« – dann soff er sich voll, tanzte wie ein dressierter Elefant um den ›Ehrentisch‹ und fiel gegen 1 Uhr nachts auf den Rasen. Dort blieb er liegen und schlief ein. Die Balalaika-Musik, die zwei Knechte spielten, bewirkte noch ein rhythmisches Zucken seiner Arme und Beine, bis auch dieses nachließ und er laut schnarchte wie ein Narkotisierter.
Auf einem Heuwagen, mit dem die Bauern aus Judomskoje gekommen waren, fuhr man ihn dann zurück zu seinem Haus.
Als der Morgen über der Steppe aufdämmerte und der Himmel streifig wurde, rötlich und dann blaupurpurn mit silbernen Streifen und Girlanden, saßen Erna-Svetlana und Boris auf der gedeckten Veranda und blickten in den kommenden Morgen.
Sie hatten sich an den Händen gefaßt. Svetlanas Kopf mit langen, offenen, goldenen Haaren lag an Boris' Schulter. Sie saß weit vorn auf dem Stuhlsitz, denn ihr schwerer Leib machte ihr zu schaffen.
»Ich danke dir, Bor«, sagte sie leise.
»Wofür?« Boris legte den Arm um ihre schmalen Schultern und drückte ihren Kopf fester an sich. »Ich danke dir, Svetla.«
»Ich habe es gesehen«, sagte Svetlana. Ihre Stimme war kaum hörbar.
»Was hast du gesehen?«
»Du hast die Nagaika verbrannt –«
Boris schwieg. Als der Hammel an dem
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