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Der Himmel über Kasakstan

Der Himmel über Kasakstan

Titel: Der Himmel über Kasakstan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Natascha. »Sie heißt so, oder ich nenne sie Besümjonnüja!« (Namenlos)
    »Das gibt wieder Schwierigkeiten«, klagte Konjew. »Man kommt aus dem Ärger nicht heraus.«
    Er trank vor Kummer drei hohe Wodkagläser auf der Veranda der Datscha und schrieb dann die Geburtsurkunde mit dem Namen Natascha aus.
    Zwei Tage später kam Tschetwergow nach Judomskoje. Entgegen aller Gewohnheit besuchte er nicht das Mustergut, sondern ging zu Konjew, warf die neugierige Marussja aus dem Zimmer und verriegelte hinter ihr die Tür. Konjew saß mit sehr gemischten Gedanken und unheimlichen Gefühlen hinter dem Tisch und strengte sich an, die Betriebsamkeit Tschetwergows zu erraten.
    »Nanu?!« war alles, was er sagen konnte. Tschetwergow fuhr mit beiden Händen durch die Luft und schnitt ihm alle Worte ab.
    »Es ist wieder was los!« sagte er. »Es ändert sich wieder alles!«
    Konjew schnellte empor. »Chruschtschow ist tot?« schrie er.
    Tschetwergow schüttelte den Kopf. »Mitnichten, Genosse. Er konserviert und tötet alle Bazillen mit Schnaps. Aber ich habe gehört, daß Genosse Chruschtschow mit dem westdeutschen Bundeskanzler Adenauer etwas Ähnliches ausgehandelt hat wie damals Hitler mit Stalin. Die in Rußland lebenden Deutschen sollen zurück nach Deutschland! Wie sagten sie vor 20 Jahren: ›Heim ins Reich!‹« Tschetwergow lachte hämisch. »Es wird unseren Boris hart treffen …«
    »Boris?« Konjew wischte sich über die Augen. »Was hat Boris damit zu tun?«
    »Er ist doch ein Deutscher, Ilja Sergejewitsch.«
    »Aber er ist in Rußland aufgewachsen! Er ist mehr Russe als mancher, der auf dem Lehmofen einer Bauernhütte geboren wurde. Er hat ein Mustergut geschaffen. Er hat in allen Zeitungen gestanden, in der Wochenschau haben sie die Datscha gezeigt, Moskau hat seine Pferde gekauft für den internationalen Reitsport …«
    Er wollte weiter die Erfolge Boris Horns aufzählen, aber Tschetwergow zeigte mit beiden Zeigefingern an die Stirn. Auf dieses internationale Zeichen, gleich doppelt gegeben, verstummte Konjew.
    »Wenn Boris Horn abziehen muß, bekommen wir die Datscha«, sagte Tschetwergow. »Begreifst du das nicht?!«
    Ilja Sergejewitsch Konjew begriff sofort. Er ließ sich auf seinen Stuhl fallen und faltete andächtig die Hände. »Das ändert alles«, sagte er tief durchatmend. »Daran habe ich nicht gedacht. Natürlich ist Boris Horn ein Deutscher!«
    »Aber die Ausreise ist freiwillig, Genosse.«
    Konjew stülpte die Unterlippe vor. »Er wird nie freiwillig gehen.«
    »Es ist Ihre Aufgabe, Boris zu überreden, nach Deutschland zu gehen.«
    »Wo ich ihn erst mit allen Ehren empfangen habe?«
    »Die Zeiten haben sich wieder geändert, Genosse. Es ist wie bei einem Karussell … einmal kommt man wieder an der alten Stelle vorbei, und die alten Leute winken einem zu.« Tschetwergow setzte sich und rückte an Konjew heran. »Als Stalin starb, stand alles schief, Ilja Sergejewitsch. Vor allem Sie und ich. Aber wir hatten ein Köpfchen, wir zwei, und haben Boris so groß gemacht, daß wir uns hinter ihm verstecken konnten. Gut. Aber das ist vorbei. Jetzt kann er uns nichts mehr nützen, verstehen Sie? Im Gegenteil: Väterchen Chruschtschow wird eines Tages fragen: ›Warum ist der Deutsche noch auf der Datscha? Warum ist er nicht zurück in seine Heimat?‹ Und was wollen Sie da sagen, Konjew? ›Boris wollte nicht …‹ Brüderchen, wer hat in Rußland etwas zu wollen?!« Tschetwergow strich sich über seinen ergrauenden Schnurrbart. »Wir müssen ihn überzeugen, daß er ein Deutscher ist und nach Deutschland gehört. Wir müssen ihn an seine Eltern erinnern.«
    »Das lassen wir lieber sein«, sagte Konjew weise.
    »Hm, tja«, Tschetwergow sah an die Decke. »Wie ist es mit einem kleinen Normendruck?«
    »Es gibt keine Norm, die Boris nicht erfüllen könnte. Mit diesen Maschinen, mit diesem fabelhaften bebauten Land.«
    »Versprechen Sie ihm goldene Ernten in Deutschland.«
    »Ein besseres Gut als die Datscha kann er auf der ganzen Welt nicht bekommen.«
    »Versprechen, Konjew, versprechen! Einhalten muß es die deutsche Regierung. Wenn sie es nicht kann – ist es unsere Schuld, Brüderchen?«
    »Und wenn alles nichts hilft?«
    »Wir werden sehen, Genosse.« Tschetwergow erhob sich und entriegelte die Tür. Marussja, die hinter ihr gelauscht hatte, entfloh auf dicken Strümpfen lautlos in die Küche und rührte in einem Kessel, der leer war. »Irgendwie werden wir es schaffen, daß Boris Horn sich darauf

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