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Der Himmel über Kasakstan

Der Himmel über Kasakstan

Titel: Der Himmel über Kasakstan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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mit zurückgekommen, einer der heimlichen Pfarrer, die in den Dörfern am Bug und Pripjet, genauso wie an der Wolga oder am Jenissei die Botschaft Christi heimlich von Mund zu Mund weitergaben.
    In Neuenaue gab es eine alte, verfallene Kirche. Die Partei hatte sie als Magazin eingerichtet.
    Drei Tage lief der Pfarrer von Dienststelle zu Dienststelle, er fuhr sogar nach Warschau, reichte ein Gesuch beim Generalgouverneur ein … gebt die Kirche frei, schickt uns Bänke, Kerzen, gebt uns Geld für einen Altar, ein Klavier oder Harmonium. Er schrieb an die Synode, an den Superintendenten, an den Rat der evangelischen Kirche … Er gab keine Ruhe.
    Am siebten Tag wurde der Pfarrer gegen Morgen aus dem Bett geholt. Männer in schwarzen Uniformen mit Totenköpfen an den Mützen führten ihn ab. Es hieß, es sei SS. Das, was man in Rußland die GPU nennt.
    Man sah den Pfarrer nie wieder. Und keiner wagte es, nach ihm zu fragen.
    »Es gleicht sich alles«, sagte Rudolf Bergner beim Abendessen. »Veraschka, unser Mischa ist umsonst gestorben –«
    *
    Zwei Jahre sind wie zwei Monate, wenn man die Tage nicht zählt, sondern sich wundert, daß es taut, blüht, Frucht trägt, herbstelt und neuer Schnee fällt. Aber was Menschenhände in zwei Jahren schaffen können, das sah man in Neuenaue.
    Während das Dorf aufblühte und der mittelmäßige Boden durch intensive Bewirtschaftung gute Ernte trug, marschierten in den polnischen Wäldern und Hügelketten die deutschen Divisionen zum Sturm auf Rußland auf.
    Die Bauern merkten es früh. Sie wurden noch einmal gemustert und erhielten die Bescheinigung, daß sie zur Infanterie oder den Pionieren, zu den Panzern oder der Artillerie kommen würden. Ihre Eingliederung in das NS-Deutschland war ein einziger Federstrich. Daß Rudolf Bergner in Rußland geboren war, wie alle seines Jahrgangs, war völlig unwichtig. Sie wurden Soldaten – beurlaubt vorerst für die Ernten, denn die Schlachten werden nicht allein an den Fronten geschlagen, sondern auch im die Truppen versorgenden Hinterland.
    Neuenaue bekam eine Kirche. Trotz des verschwundenen Pfarrers und des Hohns der Parteidienststellen kam man nicht daran vorbei, wollte man nicht alle Wolhyniendeutschen verärgern. Wer Gott nur als Untergrundbewegung kennt, hat die tiefe Sehnsucht im Herzen, ihm frei gegenüberzustehen, wenn man selbst frei geworden ist.
    So baute man eine Kirche, zwischen Neuenaue und dem anderen Wolhynien-Dorf Kraftfeld. Sie lag in der Mitte auf einem kleinen Hügel, an einem herrlichen Platz, das Land beherrschend, mit dem dicken Glockenturm in den Himmel stoßend, als sei es eine Faust, die Gottes Güte öffnen möchte.
    Hier trafen sich an einem Sonntag zum erstenmal zwei Kinder beim Kirchgang.
    Erna-Svetlana Bergner und Boris Horn.
    Svetlana war jetzt sieben Jahre alt. Sie sah mit Bewunderung zu dem Jungen hinauf, der mit seinen 9 Jahren auf einem Pferd zur Kirche ritt, in einem weißen Hemd, schwarzen engen Hosen und einem Hut, um dessen runden Kopf bunte Bänder geflochten waren.
    Für Boris war die Welt herrlich. Er sah nur die Weite des Landes, wie er sie von Pripjet her kannte, er sah die Sonne, die Wälder, das aufblühende Dorf und den schönen eigenen väterlichen Hof, auf dem der alte Horn herrschte wie ein Wojwode. Sie hatten 30 Stück Vieh auf der Weide, zweihundert Hühner und 70 Morgen unter dem Pflug. Der alte Horn konnte sich das leisten, denn er hatte etwas erkannt und getan, was die anderen Bauern zunächst nicht verstanden: Er war in die NS-Partei eingetreten, stellvertretender Ortsgruppenleiter von Kraftfeld geworden und hatte so seinen Besitz mittels der Organisation ›Blut und Boden‹ um das Doppelte vermehren können. Man gab ihm einfach von einem großen Gut 30 Morgen in Pacht. Mit der Pacht aber amortisierte er auch den Kaufpreis. In 20 Jahren würden dem jetzt 9jährigen Boris über 120 Morgen gehören.
    »Wer bist du?« fragte Erna-Svetlana schüchtern, als Boris sein Pferd am Kirchenzaun festband und den Hut von den schwarzen Locken nahm. »Bist du auch aus Rußland?«
    »Ich bin Deutscher!« sagte Boris Horn selbstbewußt. »Ich bin sogar Hitlerjunge.«
    »Ist das schön?« fragte Svetlana naiv.
    »Du bist ein blödes Mädchen!« sagte Boris verächtlich und ging in die Kirche. Erna-Svetlana ging ihm nach … während er sich wie ein großer Herr vorne in eine der Bänke setzte, blieb sie hinten an einer Säule stehen und sah zu ihm hinüber. Sein weißes Hemd leuchtete. Wenn er den

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