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Der Himmel über Kasakstan

Der Himmel über Kasakstan

Titel: Der Himmel über Kasakstan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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unsere kleine, süße Erna-Svetlana. Unseren Liebling.« Er legte den Arm um ihre bebenden Schultern. »Vielleicht schenkt uns Gott wieder einen Jungen … in der neuen Heimat, im neuen Leben, in Deutschland. In einer Stunde sind wir freie Menschen, freie Bauern, neue Menschen –«
    Sie nickte. Sie tat es, weil es Rudolf sagte. Was Rudolf sagte, war richtig und gut. Sie kannte es nicht anders. Die Weite der russischen Steppe macht demütig und gläubig. Dort stößt der Himmel auf die Erde, und man spürt Gott, wenn man die Hand emporstreckt. Es ist, als drücke er sie mit dem Wind.
    »Bist du glücklich, Sascha?« fragte sie leise.
    Rudolf Bergner sah gegen die rohe Holzwand des Waggons. Die Feuchtigkeit war zu Eis gefroren.
    »Ich weiß es nicht, Vera.«
    »Du bist doch endlich in Deutschland, in deinem Deutschland.«
    »Ich kenne es ja nicht, Vera.«
    Sie standen vom Boden auf und gingen zu der großen Schiebetür. Als sie hinaussahen, tauchte zwischen vereisten Hügeln ein Bahnhof auf. Der Bahnsteig war schwarz von Menschen.
    »Gleich sind wir im neuen Leben, Veraschka«, sagte Bergner. Er legte den Arm um ihre zitternde Schulter und drückte sie an sich. »Dort kommt die Heimat näher.«
    Der Bahnhof von Chélm.
    Das von Hitler eroberte Polen.
    Aus der Menschenmenge auf dem Bahnsteig ragten einige gelbbraune Uniformen heraus. Die weißen Hauben von Rote-Kreuz-Schwestern leuchteten in der kalten Wintersonne.
    Eine Kapelle spielte einen Marsch. Kriegsberichter der Wochenschau filmten. Aus den einlaufenden Viehwagen winkten die Bauern und ließen die Frauen die Kopftücher wehen. Das Kritische, das Tastende, das Abwartende war von ihnen abgefallen … sie ließen sich mitreißen von der Begeisterung auf dem Bahnhof und jenem unerklärlichen Gefühl von Freude und Glück, unter Menschen zu sein, die sich Brüder und Schwestern nannten.
    Als Bergner von seinem Waggon sprang, fing ihn ein gutgenährter Mann in gelber Uniform auf. Er umarmte Bergner, klopfte ihm auf die Schulter und schrie ihm mit in der kalten Luft dampfendem Atem ins Gesicht:
    »Heil Hitler, Volksgenosse!«
    »Heil Hitler!« antwortete Bergner steif.
    Bin ich jetzt ›Zu Hause‹, dachte er?
    *
    Das Dorf, in das die Leute von Nowy Wjassna kamen, hieß Neuenaue und lag im Warthegau. Es hieß früher Nowo Luki und duckte sich nördlich des großen Warthebogens zwischen Konin und Sompolno an die trostlose polnische Erde.
    Man hatte von den deutschen Parteidienststellen aus die Dorfgemeinschaften zusammengelassen. Das war aber auch alles, was geblieben war.
    Ein Kreisleiter hielt eine Rede, in der er den Führer den ›Von Gott Gesandten‹ nannte. Ein Abgesandter aus Berlin mit viel Goldschnüren auf seiner Uniform verlas ein Grußwort Rudolf Heß' als Führer der Auslandsdeutschen. Ein dicker Mann, dessen Funktionen keiner kannte, überbrachte die Grüße aller Deutschen. Später stellte sich heraus, daß er von der Arbeitsfront Robert Leys kam … er ging zwei Tage später von Bauer zu Bauer und nahm sie in die Arbeitsfront auf. Den ersten Beitrag kassierte er der Einfachheit halber gleich mit ein.
    »Ihr könnt mit ›Kraft durch Freude‹ nach Norwegen fahren, nach Italien, nach Teneriffa! Ihr könnt euch die Welt ansehen!«
    Die Wolhynienbauern nickten. Sie trugen noch ihre Wattejacken und Pelze. Sie wollten nicht Italien, Norwegen oder Teneriffa sehen … sie wollten Neuenaue sehen, das ihnen versprochene neue Dorf, das besser sein sollte als Nowy Wjassna.
    Aber so schnell ging es nicht. In Deutschland war die Perfektion des Beamtentums schon immer das Anschauungsmaterial des Verwunderns aller Völker gewesen. Ehe man die Wolhyniendeutschen weiterreichte in den Warthegau, mußten es erst rechte und wackere Deutsche sein.
    Zum aufrechten Deutschen gehören zwei Dinge: Die Kenntnis der Nationalhymne und die Feststellung der Wehrkraft.
    Beides war im Lager bei Litzmanstadt schnell erledigt. In Gruppen zu je fünfhundert Mann wurden die Nationalhymnen geübt. Das Deutschlandlied war bekannt … aber das Horst-Wessel-Lied stieß auf Schwierigkeiten. Wer war Horst Wessel? Warum zwei Hymnen? Und wenn man Fahnen oder diese komischen Standarten in den Saal trug, spielte man immer den gleichen Marsch, den man den Badenweiler Marsch nannte. War das eine dritte Hymne? Aufstehen mußte man ja und die Hand heben.
    Die Bauern waren etwas verwirrt.
    Die Reihenuntersuchungen vor drei Militärärzten waren auch kurz. Es rasselte k.v. – was da aus Rußland kam,

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