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Der Himmel über Kasakstan

Der Himmel über Kasakstan

Titel: Der Himmel über Kasakstan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ihn aber nicht davon ab, vorsichtig weiter zu fragen.
    »Konjew hat die tausend Rubelchen abgelehnt?«
    »Er weiß nichts davon! Keiner weiß etwas … außer dir und mir.«
    »Das ist auch genug, Brüderchen.« Sirkow lächelte breit. »Wollen Sie ein Schweinchen schwarz kaufen?«
    »Für tausend Rubel? Mir scheint, du bist ebenso ein Rindvieh wie Konjew!« Borkin setzte sich auf die hölzerne Bank des hohen Lehmofens. Es störte ihn nicht, daß oben auf der Plattform des Ofens der Vater Sirkows lag und seine Frau. Sie hatten eine Rauchklappe in der Decke geöffnet und fühlten sich wohl in der hereinströmenden Zugluft. Der Tag war heiß gewesen, Sirkow hatte seine Frau Wanda verprügelt, weil sie eine Kuh nicht ausgemolken hatte, der Großvater hatte wieder Blut gespuckt … es war schon ein Kreuz bei den Sirkows. Da war es schön, am Abend still zu liegen und sich darauf zu besinnen, daß man ein Mensch war.
    »Ich will ein Schwein schlachten lassen!« sagte Borkin heiser.
    »Das ist das gleiche, Genosse.«
    »Du kennst einen jungen Mann, der ein fast gelbes Pferd reitet? Er muß in Undutowa wohnen. Ich bin ihm nachgeritten. Er stieg draußen bei der Sowchose ab.«
    »Ein gelbes Pferd?« Sirkow kratzte sich den Kopf. »Es kann Boris gewesen sein.«
    »Wie alt?«
    »Neunzehn Jahre.«
    »Das muß er sein!« Borkin sprang von der Bank auf und schlug mit der Reitpeitsche gegen seine Stiefel. »Das ist er, Sirkow!«
    »Wer, Genosse?«
    »Das Schwein!«
    Serge Sirkow riß den Mund auf. Er hatte nur noch wenige Zähne. Die meisten waren ihm abgefault. Es sah nicht sehr schön aus.
    »Boris Horn ist ein Deutscher«, sagte er nach einer Weile.
    »Ach!« Borkin setzte sich wieder auf die Ofenbank. Ein Deutscher, dachte er. Sieh an! Ratten paaren sich nur mit Ratten. Sicherlich kennen sie sich von früher her, als sie noch im Warthegau lebten als Propagandabauern Hitlers. Damals waren sie Kinder, aber heute sehen sie sich mit anderen Augen an.
    Es wär ihm ein leichtes, Boris zu töten. Er brauchte ihm nur aufzulauern, und keiner erfuhr es. Auf dem Rückweg aber, als er Boris nach Undutowa nachritt, waren Borkin andere Gedanken gekommen. Nicht, daß er feig war oder von einem Mord zurückscheute, – wer kümmert sich schon in der Weite Rußlands um einen einzelnen Menschen, vor allem, wenn er noch ein Deutscher ist? Man würde ihn als vermißt nach Alma-Ata melden, und Tschetwergow, dieser Hund, würde es weitermelden: Boris Horn verschwunden. Und nach einem Monat dachte keiner mehr an ihn … bis auf Svetlana!
    Das war der Drehpunkt in Borkins Überlegungen. Erna-Svetlana würde ihn nicht vergessen, und sie würde, falls sie jemals den Täter ergründen könnte, sich nicht scheuen, den Mann, den sie heute noch djadja nannte, den NKWD-Kommissaren auszuliefern.
    Etwas anderes war es, wenn Boris Horn auf legalem Wege verschwand. Wenn Moskau oder der Distriktsowjet ihn wegholten, wenn er untertauchte in der Weite Sibiriens, der Taiga und Tundra oder in den Stollen der Bleibergwerke, wo er zugrunde ging und in einer Ecke verscharrt wurde, um als Mumie die Jahrhunderte zu überleben.
    »Dieser Boris ist ein ›Reaktionär‹«, sagte Borkin laut. Serge Sirkow zuckte zusammen.
    »Unmöglich, Genosse.«
    »Wenn ich es sage!«
    »Er hat gar nicht die Möglichkeiten, Reaktionär zu sein. Er arbeitet auf der Sowchose als Viehhüter. Er arbeitet gut.«
    Borkin sah den Dorfsowjet verächtlich an. »Du bist doch ein riesengroßes Rindvieh, Serge Sirkow. Ich werde es melden müssen.«
    Melden müssen ist in Rußland soviel wie ein halbes Todesurteil. Ehe es sich aufklärt, daß die Meldung falsch war, kann man in einem Massengrab liegen oder Steine für den Bau des Eismeerkanals brechen. Serge Sirkow setzte sich schwer auf einen wackeligen Schemel.
    »Wenn es so ist, Genosse Borkin …« Er hob die Schultern. »Wenn Sie Beweise haben –«
    »Die Beweise werden Sie sammeln!«
    »Ich?« Sirkow riß die Augen auf. Sein Bauerngesicht war ratlos. Daß Borkin plötzlich förmlich ›Sie‹ sagte, erschreckte ihn noch mehr.
    »Dieser Boris steht mit den anderen Deutschen in Verbindung. Sie planen eine Konterrevolution! Sie wollen die Landwirtschaft unterhöhlen!«
    Sirkow lächelte schwach. »Das ist doch Dummheit, Genosse. Eine Handvoll Deutscher! Sie leben doch von dem, was sie säen und ernten. Sie sind froh, daß man sie in Ruhe läßt.«
    Borkin sprang auf. Er schlug mit der Peitsche auf den Tisch. Sirkow zuckte zurück … auf dem

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