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Der Himmel über Kasakstan

Der Himmel über Kasakstan

Titel: Der Himmel über Kasakstan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Lehmofen begann der Großvater zu husten.
    »Ob man es glaubt oder nicht … das ist unwichtig! Es genügt, wenn du Boris Horn anzeigst!« Er tippte mit der Peitsche auf den Tausendrubelschein. »Er gehört dir, wenn Boris wegkommt.«
    Sirkow betrachtete den Geldschein. Die Welt ist schlecht, dachte er. Warum soll ich der einzige anständige Mensch sein? Es lohnt sich nicht und zahlt sich nicht aus.
    »Er muß wegkommen?«
    »Ja.«
    »Für immer?«
    »Wenn möglich –«
    »Aber wenn die Anzeige falsch ist –«
    »Sie ist nicht falsch! Man glaubt einem Dorf Sowjet doch mehr als einem dreckigen Deutschen.«
    »Und warum soll er weg, Brüderchen?«
    »Weil ich dir 1.000 Rubel schenken will, du Idiot.«
    Sirkow nickte. »Das ist einleuchtend, Genosse. Das ist sogar überzeugend.« Er sah Borkin verschmitzt lächelnd an. »Ich nehme an, Sie leitet ein glühender Deutschenhaß! Sie handeln in patriotischer Stimmung. Sie sind ein hervorragender Kommunist.«
    »Mein Name soll nicht genannt werden«, sagte Borkin hart. »Das Dorf Undutowa wird diesen Boris Horn ausstoßen. Wozu haben Sie die Parteiredner- und Propagandaschule besucht, Sirkow?«
    Serge Sirkow wiegte den Kopf. Das ganze Dorf, grübelte er. O Engel von Kasan – wenn die in Alma-Ata oder gar in Moskau wüßten, wie das ganze Dorf denkt! Es fror ihn plötzlich bei diesem Gedanken. Er zog die Schultern zusammen.
    »Ich habe einen Gedanken, Genosse Borkin. Ich schicke diesen Boris mit einem Briefchen zu Genosse Tschetwergow. Ich werde sagen: ›Guter Boris, reite nach Alma-Ata und bring dem Genossen Distriktskommissar dieses Briefchen. Es kann nicht mit der Post gehen … es ist geheim. Kurierdienst, mein Lieber. Und gib es ihm persönlich ab!‹ – In dem Briefchen aber wird stehen: ›Behaltet diesen Lümmel dort! Er ist ein Trotzkist! Er schimpft auf Stalin! Er wiegelt die Deutschen auf!‹« Sirkow rieb sich die Hände. »Wie wird Genosse Tschetwergow sich freuen! – Ist das nicht ein guter Gedanke, Genosse?«
    »Ein sehr guter, Serge Sirkow.« Borkin klemmte die Peitsche unter die Achsel. »Wenn Boris in Alma-Ata ist, kommst du zu mir hinüber. Wir werden eine gute Flasche trinken.«
    »Es wird mir eine Ehre sein, Genosse Borkin.«
    »Schicke ihn schon morgen weg!«
    »Schon morgen, Genosse.«
    Mit langen Schritten verließ Borkin die Hütte. Sirkow sah ihm nach, wie er auf das Pferd stieg und in den Abend hinein zum Wald hin weggaloppierte.
    »Schon morgen«, wiederholte Sirkow leise und schloß die Tür. »Es ist verdammt nicht leicht, ein guter Kommunist zu sein –«
    *
    Auf seiner Datscha rief Borkin Sussja und Fedja herbei.
    »Packt Braten, Wein, Kuchen, Wurst, Wodka und Schokolade in einen Korb, ihr Kröten!« schrie er sie an. »Und tragt sie zum Pferd! Aber schnell! Schnell!«
    Fedja rannte aus dem Zimmer. Verwundert sah Iwan Kasiewitsch Borkin auf Sussja, die zurückblieb. Ihre Augen glühten.
    »Dawai« brüllte er.
    »Wo willst du hin, Iwanowitsch?«
    »Das geht dich einen Dreck an!«
    »Du willst Svetlana besuchen! Du willst mit ihr ein Fest in der Steppe feiern!«
    »Was geht's dich an?«
    »Du willst sie betrunken machen …«
    »Raus!«
    »Du willst sie betrunken machen wie mich, als ich zum erstenmal zu dir kam. Ich war fünfzehn Jahre alt, so alt wie Svetlana jetzt ist! Und du hast mich mit Wodka und Kuchen und kaltem Braten betrunken gemacht, mit himmlischen Worten und Kostbarkeiten, die ich nie gesehen habe in meiner Hütte bei den Eltern. Und am Morgen hast du mich aus dem Bett geprügelt und am nächsten Abend wieder in dieses Bett gezogen … Vier Jahre lang … Und jetzt ist Svetlana an der Reihe …«
    Über Borkins Stirn schwollen die Adern an. Er ballte die Fäuste und trat auf Sussja zu.
    »Hinaus!« schrie er.
    Sussja hielt den Kopf hin. Sie wölbte die starke Brust hervor und schloß die Augen. Ihr wildes, etwas tatarisches Gesicht zuckte. »Schlag«, sagte sie heiser. »Schlag mich doch! Ich bin an diese Schläge gewöhnt. In der Nacht kommst du zu mir geschlichen und küßt die blauen Flecken auf meinem Körper! Du bist ein geiles Tier …«
    Die Faust Borkins dröhnte auf ihren Kopf. Er traf sie mitten auf die Stirn, die sie zu ihm hob. Lautlos sank Sussja auf die Holzdielen und streckte sich.
    Borkin biß sich auf die Unterlippe. Wenn ihre Schädeldecke so hart ist wie ihr weißes Fleisch, dann lebt sie noch, dachte er. Ich brauche alles andere, nur keine Tote in meinem Haus. Er kniete neben Sussja nieder und legte das Ohr

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