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Der Himmel über Kasakstan

Der Himmel über Kasakstan

Titel: Der Himmel über Kasakstan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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an ihre verkrampften Lippen. Schwach, wie durch die Zähne wehend, kaum merklich spürte er ihren Atem. Er schob seine Hand zwischen ihren Blusenausschnitt und legte sie auf die linke Brust.
    Das Herz schlug.
    Zufrieden erhob sich Borkin und ging aus dem Zimmer. Sussja ließ er auf den Dielen liegen. Sie würde bald wieder zu sich kommen. Ein Tatarenschädel ist härter als ein Granitblock.
    Auf dem Hof traf er Fedja, der einen Korb voll herrlicher Eßsachen hinter dem Sattel festband. Seine Augen waren voll Haß, aber auch voll Hilflosigkeit und hündischer Angst.
    »Sie bleiben heute draußen?« fragte er. Borkin schwang sich auf sein Pferd. Es war diesmal ein Rappe … sein Grauschimmel stand keuchend und schweißüberströmt im Stall und wurde von einem Knecht mit Strohbündeln abgerieben. Die Hetze zwischen der Steppe und Undutowa und zurück zur Datscha hatte ihn ausgepumpt.
    »Vielleicht«, antwortete Borkin. Er sah nach rückwärts auf den zugedeckten Korb. »Nichts vergessen, Fedja?«
    »Nein. Auch eine silberne Halskette ist dabei.«
    Borkins Gesicht wurde starr. »Du weißt zuviel, Fedja. Man müßte dafür sorgen, daß du nach Sibirien kommst.«
    »Da war ich schon, Genosse Borkin.«
    »Leider bist du zurückgekommen.«
    »Leider.« Fedja hob beide Hände. »Man nennt Sibirien das Land der Vergessenen. Es lebt sich manchmal besser in ihm als in den Ländern der Alleswissenden.«
    Borkin gab seinem Pferd die Sporen. Es hob sich steil empor, wieherte vor Schmerz und raste dann wie der Teufel in die Nacht hinaus.
    Die Hunde im Zwinger heulten ihm nach.
    *
    Das Zelt war aufgeschlagen, über einem Feuer hing der Kessel mit dem brodelnden Teewasser, und Erna-Svetlana saß auf einer geflochtenen Matte aus Maisstroh, als Iwan Kasiewitsch Borkin, einem Geisterreiter gleich, aus der Dunkelheit hervorbrach und auf das kleine Lager zugaloppierte.
    »Djadja!« rief sie, als er vom Pferd sprang. Sie rannte auf ihn zu und umarmte ihn. »Du kommst in der Nacht hierher? Ist etwas geschehen auf der Datscha?!«
    »Was soll geschehen sein, moj ljubimez?!« Er legte den Arm um ihre Schulter und roch ihr langes, goldenes Haar. Wie Heu und getrocknete Rosenblätter, dachte er lyrisch. Es riecht schöner als das herrlichste Pariser Parfüm. Es riecht nach Svetlana.
    »Ich wollte sehen, ob dir nichts fehlt«, log er. »Fedja ist unzuverlässig. Er wird alt und störrisch wie ein Esel.«
    »Vielleicht hat man ihn zuviel geprügelt.«
    Borkin lachte. Er trat an das Feuer heran und sah in den Kessel. »Tee?« fragte er.
    »Ja.«
    Er trat mit der Fußspitze gegen den Kessel. Das sprudelnde Wasser verrann zwischen den Steinen, mit denen das Feuer gegen den Steppenwind geschützt war. Es zischte. Erna-Svetlana wollte etwas sagen, aber Borkin pfiff grell und kurz. Das Pferd kam langsam auf sie zu.
    »Ich habe etwas Besseres mitgebracht, moj kasulja.« (Mein Reh) Er band den Korb vom Sattel und stellte ihn vor das Feuer. »Kalten Braten, Wein von der Krim, Wurst und Süßigkeiten. Du sollst nicht leben wie Kerek, der sich Schnecken am Spieß röstet.«
    »Ich habe keinen Hunger«, sagte Erna-Svetlana. Sie sah, wie Borkin den Korb auspackte und alles vor sie hinbreitete. Als er die silberne Kette auf dem Boden des Korbes fühlte, zögerte er, aber dann griff er zu und schob die Kette in seine Hand.
    »Ich habe dir auch noch etwas anderes mitgebracht. Mach einmal die Augen zu.«
    »Djadja –«
    »Hast du Angst?«
    Sie schüttelte den Kopf. Ja, wollte sie schreien. Ja, ich habe Angst. Du bist anders geworden, du bist nicht mehr der Iwan Borkin, auf dessen Schoß ich saß und der mich wie eine Mutter fütterte, wenn ich den süßen Brei aus Hirse und Honig nicht essen wollte.
    Er trat hinter Svetlana, öffnete den Verschluß der Kette und legte sie ihr um den weißen Hals. Als sie die Kälte des Metalls auf ihrer Haut spürte, zuckte sie zusammen, aber sie blieb stehen und hielt die Augen geschlossen. Borkin nestelte hinter ihr den Verschluß zu. Sein Blick glitt über ihre Schulter den Hals hinab zu dem Ausschnitt der Bluse. Er sah den Ansatz ihrer Brust, und wieder erfaßte ihn eine fast wilde Lust, zuzugreifen und alles abzureißen, was diesen Körper vor ihm verbarg.
    »Kann ich die Augen wieder aufmachen?« fragte Svetlana. Borkin nickte.
    »Ja«, sagte er rauh.
    Sie sah hinunter auf ihren Hals und steckte die Hand durch die silberne Kette. Sie war breit, ziseliert und zeigte in den einzelnen Gliedern das Muster von Rosen und

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