Der Himmel über Kasakstan
Phantasievögeln. Mongolische Händler auf großen, kräftigen, trägen Kamelen mochten sie vor Jahren nach Kasakstan gebracht haben. Borkin hatte sie von einem Krämer gekauft, der zu seiner Datscha kam.
»Wie schön«, sagte Svetlana. Sie tastete mit den Fingerspitzen über die Rosen und Vögel und sah dann zu Borkin auf. »Warum schenkst du mir das, djadja?«
»Weil heute ein Feiertag ist.«
»Du hast Geburtstag?«
»Nein. Heute vor 5 Jahren bist du zu mir gekommen.«
»Das stimmt nicht.« Svetlana lachte. »Es war Winter. Iljitsch Sergejewitsch Konjew wickelte mich noch in seinen Pelz, als er mich von der stolowaja mit nach Hause nahm.«
»Im Winter war es?« Borkin setzte sich neben das Feuer. Er schüttelte den Kopf. »Ich hätte geschworen, es war im Frühjahr. So schnell vergeht die Zeit, und so schnell verliert sich die Erinnerung. Aber nun bin ich hier … und wenn es auch im Winter war – für uns war es im Frühjahr! Wir wollen einen Grund zum Feiern haben!«
Sein Blick glitt von ihren plumpen Schuhen die schlanken Beine hinauf bis zu ihren Schenkeln und der Wölbung ihres Leibes. Er spürte, wie sich sein Mund mit Speichel füllte, wie sein Herz unregelmäßiger schlug, aussetzte, ein paar Schläge raste und dann wieder stockte. Als er die Hände aneinanderlegte, merkte er, daß seine Handflächen schweißig waren.
»Setz dich auch, Svetlana«, sagte er heiser. »Trink ein Glas Wein.«
Sie hockte sich gehorsam neben ihn und schlug den Rock über die bloßen Knie. Ihr langes Haar war offen und umgab sie wie ein Schleier aus goldenen Seidenfäden. Borkin schüttete in die mitgebrachten Gläser den dunklen, schweren Krimwein.
»Er ist ganz leicht«, sagte er. »Man kann Kannen davon trinken und merkt es nicht. Er macht nur lustig.« Er wandte den Kopf zu Svetlana. »Hast du schon Wein getrunken?«
»Dreimal. Bei dir! Zu meinem Geburtstag. Aber keinen roten Wein. Auch hast du ihn damals mit Wasser verdünnt.«
»Er war stärker als dieser hier.« Borkin reichte ihr das Glas hin. »Auf die vergangenen fünf Jahre, Svetlanja.«
»Auf deine Güte, djadja …«
Borkins Hand zitterte, als er das Glas zum Mund führte. Über den Rand des Glases hinweg sah er zu Svetlana. Sie trank den Wein in großen Zügen. Ihr Gesicht leuchtete.
»Er schmeckt herrlich«, sagte sie, als sie absetzte. »Er schmeckt wie Sonne –«
Borkin legte sich zurück und stützte den Kopf auf die Hand. »Wie Sonne, – hast du die Sonne schon einmal geschmeckt?«
Svetlana nickte. »Ja. Jeden Tag. Ich liege im Gras, und über mir ist die Sonne. Ganz allein im blauen Himmel. Eine gelbe Kugel, die in einem unendlichen Meer schwimmt. Da habe ich oft den Mund aufgemacht und die Augen geschlossen. Es war herrlich, die Sonne zu schmecken.«
»Du bist ein kleiner Phantast.« Borkins Hand tastete nach ihrem Haar. »Du kannst einen Dichter beschämen mit soviel Phantasie. Die Sonne schmecken … das wäre selbst Puschkin nicht eingefallen. Du solltest Gedichte schreiben, Svetlanja.«
»Du würdest mich nur auslachen.«
Er zog an ihren Haaren. Verwundert und wieder erschreckt fuhr Svetlana herum.
»Komm etwas näher.« Borkin wickelte seine Finger in ihre Haare. »Ich will dir etwas erzählen. Noch keiner weiß es. Wir werden fortreisen in ein anderes Land –«
»Wir werden –« Svetlanas Augen wurden groß. Fortreisen, dachte sie. Und Bor? Was wird aus Bor und unserer Liebe? »Wann werden wir reisen?«
»Bald.« Er zog wieder an ihren Haaren. Sie spürte es nicht. Sie dachte an Boris. »Es wird ein schönes Land sein. Wir werden ein Haus mieten, nahe am Meer, und ich werde ein neues Buch schreiben. Weißt du, wie es heißt?«
»Nein«, sagte sie, mit den Gedanken abwesend.
»Es wird heißen: Svetlana, der Schwan … Ein schöner Titel, nicht?«
»Ja, djadja«, nickte sie.
Sie nahm das neue Glas Wein, das ihr Borkin reichte, und trank es aus. Ihr Kopf wurde schwer … das Feuer brannte flackernder als sonst, und der Nachthimmel wiegte sich, als läge er in einer Schaukel.
»Wird es bald sein?« fragte sie.
»Bald –«, sagte Borkin doppelsinnig. Er beobachtete Svetlana. Ihr Kopf pendelte hin und her, ihre Zunge wurde schwerer. Als sie ihn ansah, flatterten ihre Augen. »Trink noch ein Glas, ljubimez«, sagte er.
»Er ist so leicht, der Wein.« Svetlana strich sich über die Augen. »Er macht so leicht, djadja … Hast du ein Grammophon mitgebracht?«
»Ein Grammophon?«
»Ich höre Musik, djadja …«
»Es ist dein
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