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Der Himmel über Kasakstan

Der Himmel über Kasakstan

Titel: Der Himmel über Kasakstan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zitterte. Er ließ den Lichtkegel durch das kleine Zelt gleiten. In einer Ecke lag die zerfetzte Kleidung. Er kniete neben Svetlana nieder und drehte sie vorsichtig auf den Rücken.
    Ihr Gesicht war verzerrt, schrecklich entmenscht. Blut war auf den Lippen geronnen … als er ihre Hand nahm, um den Puls zu fühlen, sah er, daß unter ihren Nägeln Blut und Hautfetzen klebten.
    »Svetla«, stammelte er. »O Gott … Svetla. Was hat man dir getan?!« Er ließ die Hand sinken. Vor seine Augen trat die Stunde wieder, in der man seine Mutter durch das Dorf Kraftfeld jagte, ehe sieben Mongolen sich über sie warfen. Er sah seine Mutter um sich schlagen und hörte ihre Schreie wieder. Hilfe! schrie sie. Hilfe! Aber wer konnte helfen, wo alles, was sich auf der Straße zeigte, im Feuer der Maschinenpistolen zusammenbrach.
    Und nun lag Svetlana vor ihm … zerbrochen und ohne Besinnung. Unter den Nägeln die Haut und das Blut ihres Peinigers.
    Boris biß sich auf die Lippen. Er streichelte über Svetlanas Gesicht und sah nicht ihre Blöße und empfand nichts anderes als Trauer und eine wilde Lust, zu morden.
    Ihr Herz schlug schwach … wenn sie atmete, stieß sie den Dunst von Alkohol mit heraus. »Hunde!« sagte Boris. »Wenn ich jemals vergessen hatte, dieses Land zu hassen … jetzt wird es ewiger Haß bleiben!«
    Er rannte aus dem Zelt und suchte nach Wasser. Als er nichts fand, nahm er eine Flasche Wodka, die neben dem Essen lag, schlug den Hals ab und rieb die Stirn und die Brust Svetlanas mit dem starken Schnaps ab. Er massierte die Herzgegend, er drückte den Zeigefinger quer zwischen die zusammengepreßten Lippen, öffnete gewaltsam den Mund und träufelte Wodka in die Mundhöhle. Wenn sie bloß nicht erstickt, zitterte Boris. Gott, mein Gott … laß sie nicht daran ersticken.
    Der Hals zuckte. Sie schluckte. Unbewußt, aus dem Reflex heraus, das, was im Mund sich ansammelte, wegzubringen. Aber sie blieb ohne Besinnung.
    Mit bebenden Händen streifte Boris die zerfetzten Kleider über den mißhandelten Körper. Dann trug er sie auf sein Pferd und legte sie quer vor sich auf den Sattel. Svetlanas lange, goldene Haare hingen an der Seite herab, fast bis auf den Boden. Als er anritt, wehten sie vom Pferd weg wie ein feiner, dünner und schwereloser Schleier.
    Boris ritt langsam. Er hielt den Körper umklammert und lenkte das Pferd nur mit den Schenkeln und den Absätzen seiner Stiefel. Hinter ihm verglomm das Feuer und versank die Steppe in der Nacht.
    Zehn Werst sind es bis zu Natascha Trimofa, dachte Boris. Zehn Werst … eine Unendlichkeit! Aber Natascha Trimofa würde helfen. Nur sie konnte helfen! Sie war die Ärztin des Bezirkes. Sie war eine Frau, die verstand, was man Svetlana angetan hatte.
    Zehn Werst … Er streichelte das bleiche Gesicht Svetlanas und drückte die Absätze seiner Stiefel in die Flanken des Pferdes. Lauf … lauf … sie vergeht uns unter den Händen … sie löst sich auf in ihrem Unglück … lauf … lauf …
    Mein Gott – laß einmal, einmal nur, die Erde anhalten und die Zeit stillstehen. Laß zehn Werst sein wie eine Sekunde …
    Er ritt über eine Stunde, über Steppe und durch Wald, quer durch die wogenden Kornfelder, vorbei an Sonnenblumenkulturen und den schlafenden Gärten der Bauern von Undutowa. Mit beiden Händen hielt er Erna-Svetlana umklammert. Sie war noch immer ohnmächtig … der Weindunst, den sie beim Atmen umgab, war schrecklich und steigerte den Rachegedanken Boris' bis ins Unermeßliche hinein.
    Es war, als kenne das goldene Pferd den Weg … fast ohne Schenkeldruck trabte es um Undutowa herum, schwenkte wieder hinaus zu den Weiden und Steppen und jagte dann auf dem Feldweg entlang, der bis zum großen Balchasch-See führte.
    Wenige Werst vom See entfernt, allein in einem kleinen Kiefernwald, lag das Haus von Natascha Trimofa, der Distriktärztin von Undutowa. Als Boris Horn vor der Tür vom Pferd sprang, sah er kein Licht zwischen den Holzläden hervorschimmern.
    Wenn Natascha nicht zu Hause ist, durchfuhr es ihn. Wenn sie in Alma-Ata bei der Sanitätsbrigade ist zu einem Lehrgang. Sie haben ja immer Lehrgänge in Rußland. Was sollten die Heere von Beamten und staatlichen Organisationen auch tun, wenn man die Lehrgänge abschaffte?! Darin unterscheidet sich Rußland selbst nicht von westlichen Ländern.
    »Natascha Trimofa!« schrie Boris. Er hob die wie tot auf dem Pferd liegende Svetlana vom Sattel herab und trug sie auf den Armen zum Hause hin. »Natascha

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