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Der Himmel über Kasakstan

Der Himmel über Kasakstan

Titel: Der Himmel über Kasakstan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Blut, Svetlana. Es singt. Es jubelt. Es ist jung und voller Sehnsucht. Du – du – du – singt es. Halt einmal den Atem an und lausche. Hörst du es? Da … Ganz still, nicht atmen … hörst du es? Du – du – du – du –« Er umfaßte ihre Schulter, er zog sie an sich … durch sein dünnes Hemd spürte er die Wärme ihres Körpers. Sein Atem flog, als sie den Kopf an ihn lehnte und mit leiser, heller Stimme mitsang.
    »Du – du – du – du –«
    »Svetlana …« sagte Borkin heiser.
    Sie gab keine Antwort mehr. Sie lag an seiner Brust, halb schlafend, halb von dem schweren Wein betäubt … Ihr Mund lächelte, und ihre Lippen waren leicht geöffnet, so, wie das letzte Wort aus ihnen gekommen war. Du –
    »Svetlana!« sagte Borkin noch einmal.
    Dann griff er zu, zerriß, was Stoff in seinen Fingern war und wurde ein Tier … nein, mehr noch … er wurde ein Mensch …
    *
    Zwei Stunden später ritt Borkin zurück zur Datscha.
    Im Wald begegnete er Boris. Sie ritten aneinander in der Dunkelheit vorbei, ohne sich zu erkennen.
    Borkin ritt schnell. Es war, als sei er auf der Flucht. Über seine linke Wange zog sich eine breite, blutige Kratzspur. Sie brannte, und sie erinnerte ihn an einen Triumph, der eine Niederlage geworden war.
    Sie wird nie mehr zu mir zurückkehren, dachte er wütend. Ich habe sie eingetauscht für zwei Stunden Besinnungslosigkeit. Ich Narr! Ich unheilbarer Narr!
    Auf der Datscha erwarteten ihn noch Fedja und Sussja. Sie hatte einen roten Fleck auf der gelblichen Stirnhaut. Das war alles, was an den vergangenen Abend erinnerte.
    »Ihr seid noch auf?« sagte Borkin. Müde kletterte er vom Pferd.
    »Wir wußten, daß Sie wiederkommen.« Fedja nahm die zugeworfenen Zügel.
    »So?« Er sah Sussja an. In ihren Augen stand Haß und eine lauernde Frage. »Bringt mir zu trinken. Wodka! Ins Blumenzimmer! Und dann laßt mich allein!«
    Er wandte sich ab und ging.
    In seinem Arbeitszimmer zog er die dichten Vorhänge vor die Fensterecke und warf sich in einen der Sessel. Mit der Hand tastete er über die Kratzwunde und merkte, daß sie hinunterging bis zur Oberlippe. Sie war geschwollen und brannte wie Feuer, wenn er sie berührte.
    Sussja kam mit dem Wodka. Sie stellte die Flasche auf den Tisch.
    »Wie geht es deiner blonden Hure?« fragte sie giftig.
    »Geh – oder ich peitsche dich hinaus!« schrie Borkin.
    »Sie hat scharfe Krallen, das Kätzchen.« Sussja lachte höhnisch. »Ich habe noch nie einen so zugerichteten Kater gesehen.«
    »Ich bringe dich um«, sagte Borkin leise.
    »Versuch es.« Sussja wölbte die Brust vor. »Du kommst mit den Händen nicht weiter als bis hierher. Und dann beginnen sie zu streicheln …«
    Borkin erhob sich. Er trat vor Sussja hin und schlug sie mit der flachen Hand in das schöne, tatarische Gesicht. Immer und immer wieder. Sussja hielt still. Sie rührte sich nicht. Hoch aufgerichtet nahm sie die Schläge hin, als sei sie eine leblose Puppe. Keuchend hielt Borkin ein.
    »Nun?« fragte sie. Ihre Stimme schwankte. »Und jetzt?«
    Iwan Kasiewitsch Borkin hob die Schultern. Er war leergebrannt und einsam. Angst vor dem grauenden Tag stieg in ihm hoch.
    »Komm!« sagte er heiser.
    Er ging voraus in das Nebenzimmer. Als er die Tür verriegelte, lächelte Sussja. Es ist nicht das Brot allein, das einen Menschen satt macht –
    *
    Schon von weitem rief Boris den Namen Svetlanas, als er aus dem Wald hervorritt und in der Ferne den Feuerschein ihrer Lagerstätte sah.
    »Heij!« schrie er. »Svetla! Ich habe eine gute Nachricht für dich!«
    Vor dem Zelt rührte sich nichts. Das Feuer flackerte, als habe es keine Nahrung mehr. Als Boris näher kam, sah er, daß der große Wasserkessel neben den Steinen lag. Umgeworfen, leer.
    »Svetla!« rief er. Eine wilde Angst schnürte ihm die Kehle zu. Er trieb sein goldenes Pferd an, schlug es sogar, daß es beim Galopp verwundert den Kopf drehte und die Ohren anlegte. »Svetla?! Wo bist du?!«
    Der Platz vor dem Zelt war leer. Auf der Erde lagen eine leere Weinflasche … kalter Braten, eine Schüssel mit Konfekt, eine Holzschale mit Weißbrot und Wurst …
    »Wein! Svetlana und Wein!«
    Boris Horn ließ sich vom Pferd fallen, noch bevor es stand. Er rannte zu dem Zelt und riß den gummierten Eingangsvorhang auf.
    Erna-Svetlana lag auf der Erde, zusammengekrümmt und ohnmächtig. Sie lag da in schrecklicher, mißhandelter Nacktheit, auf der weißen Haut noch Spuren kräftiger Hände.
    Die Taschenlampe in der Hand Boris'

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