Der Himmel über Kasakstan
Seine leidenschaftslose, fast schon gleichmütige Stimme jagte Borkin einen neuen Schauer über den Körper. Er hat nichts Menschliches mehr, dachte er. Er schlägt wie ein aufgezogener Roboter. Ich könnte flehen und winseln, seine Stiefelspitzen küssen und um ihn herumkriechen wie ein Lurch … er würde es gar nicht sehen oder innerlich aufnehmen. Er schlägt zu wie eine Maschine.
»Mach ein Ende, Brüderchen«, stöhnte Borkin und umklammerte das Fußende des Bettes. »Noch drei, vier Schläge – und es ist ja vorbei. Quäl mich nicht so! Schlag gegen die Schläfe … mit dem Knauf! Hab Erbarmen, Genosse …«
»Wehr dich! Dein ruhiges Sterben ekelt mich an!«
Iwan Kasiewitsch Borkin nickte. Er sprang vor und wurde von einem neuen Schlag der Nagaika zurückgeworfen. Die Schnüre hatten sich um seinen Hals geschlungen … er rang nach Atem und taumelte gegen die Wand, während sich die Stahlsaiten von ihm abwickelten.
»Ich habe Svetlana ehrlich geliebt«, röchelte er.
»Nenn diesen Namen nicht!« Boris schlug wieder zu. Über den Kopf, über das Gesicht, einmal auch gegen die Schläfe.
»Oh!« schrie Borkin auf. »Oh! Verflucht seid ihr alle! Verflucht!«
Dann fiel er hin, rollte vor sein Bett, mit dem Gesicht nach oben und rührte sich nicht mehr, während Boris ihn, wirklich wie eine Maschine, totschlug.
Dann legte er die Peitsche neben den Toten, deckte das Kissen über das blutige, aller menschlicher Züge beraubte Gesicht und verließ leise das Zimmer. Er löschte das Licht, ging den langen Flur entlang und schlüpfte aus der Tür ins Freie.
Die Bluthunde warfen sich wieder gegen die Gitter des Zwingers. Sie heulten und bellten, sie gebärdeten sich rasend und bissen mit ihren spitzen Fängen nach Boris, als er an ihnen vorüberglitt.
Sussja richtete sich im Bett auf und öffnete das Fenster. Sie blickte nach draußen, hinüber zum Hause Borkins. Es war ihr, als glitte ein Schatten durch die dunklen Fliederbüsche. Mit einem Satz war sie aus dem Bett, rannte auf nackten Füßen und mit aufgelösten Haaren, nur angetan mit einem dünnen, viel zu kurzen, ehemals weißen Nachthemd durch das Haus und rüttelte den unter seinen Decken vergrabenen Fedja wach.
»Es ist jemand im Haus«, rief sie. »Wach auf, du Affe! Wach doch auf, du besoffener Hund! Es ist jemand beim Herrn!«
»Es wird Svetlana sein.« Fedja kroch aus seinen Decken und rieb sich die Augen. Das Lärmen der Hunde füllte die Nacht aus … es war, als gäbe es nichts mehr auf der Welt als das heulende Kreischen der Kreaturen.
»Svetlana kennen die Hunde! Ich habe einen Schatten gesehen, der vom Haus kam!«
»Vielleicht ein Dirnchen aus dem Dorf?« Fedja lächelte meckernd. »Unser Herrchen hat gut gegessen. Da kommt er mit Sussja nicht mehr aus. Du läßt merklich nach, mein Kätzchen.«
»Steh auf!« schrie Sussja wild. Fedja musterte sie … ihre langen, etwas dicklichen Beine, die prallen Schenkel, die Brüste, die sich unter dem dünnen Nachthemd abzeichneten. Ein hübsches Täubchen, dachte Fedja. Verdammt, wenn man doch zwanzig Jahre jünger wäre. Dann liefe so etwas nicht ungestraft in mein Zimmer, und schon gar nicht in einer Frühlingsnacht. Draußen hört man die Füchsinnen locken … und hier steht solch ein Weibsbild, schön wie die Sünde. Verdammt, verdammt … daß man so alt werden muß und so etwas noch sieht …
Er kletterte aus dem Bett, schob die Läden weg und sah hinaus. Die Nacht war dunkel, sternenlos, warm und roch nach Flieder, Jasmin und japanischen Quitten. Ein Geruch, der einen Hengst toll macht.
»Nichts«, sagte Fedja. »Gar nichts. Du hast geträumt, mein Täubchen. In einer solchen Nacht sieht eine solche wie du in jedem Busch eine Männerhose!«
Er lachte wieder meckernd und rieb sich den Bart. Plötzlich stutzte er. Von ferne vernahm er Hufgeklapper.
»Da!« sagte Sussja atemlos. Sie umklammerte Fedjas Arm. »Ein Pferd!«
»Ein Bär wird nicht klappern, Eselin!« Fedja beugte sich aus dem Fenster. »Aber es ist weit weg! Auf der Straße zum Dorf. Es kommt nicht von hier! Die Hunde werden es auch gehört haben. Sie haben feine Ohren, bessere als wir, Sussjanka. Es sind kluge Viecherchen. – Komm, leg dich hin und schlaf.« Er schnalzte mit der Zunge. »Kannst dich auch in mein Bett legen, Schwesterchen. So alt ist Fedja noch nicht …«
»Eher vertrockne ich!« sagte Sussja und rannte aus dem Zimmer. Seufzend schloß Fedja wieder das Fenster und rollte sich in sein Bett. Teufelchen,
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