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Der Himmel über Kasakstan

Der Himmel über Kasakstan

Titel: Der Himmel über Kasakstan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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würde eine Aufregung geben.
    Er wollte aufstehen und weggehen, als die Tür aufgerissen wurde. Sussja kam herein, sah die Gestalt am Boden und schrie unmenschlich auf.
    »Halt's Maul«, schrie Fedja. Er wollte nach Sussja greifen, aber sie riß sich los und stürzte zu Borkin auf den Boden. Sie warf sich auf ihn, umfaßte seinen lang ausgestreckten Körper, drückte den Kopf an seine blutbesudelte Brust und kreischte.
    »Mörder! Mörder! Mörder! Oh! Oh! Mein Iwanja! Mein Iwanischka! Oh!«
    Fedja setzte sich wieder auf den Stuhl und rieb sich die grauen Haare und den struppigen Bart.
    »Nun ist er dahin, Täubchen.«
    Sussjas Kopf zuckte hoch. »Ich habe den Mörder gesehen! Ich habe ihn gesehen. Aber du warst zu faul, aufzustehen. Du hast mich weggeschickt! Du bist mit schuld! Du räudiger Hund! Du Mistklumpen! Du –«
    Sie suchte nach Worten. Fedja winkte ab.
    »Da war er schon tot.«
    »Wir hätten den Mörder gefangen!«
    »Als wenn die Mörder herumlaufen, um sich fangen zu lassen. Er hätte dich und mich totgeschlagen. Es ist schon besser so, daß ich lebe und er ist weg!«
    »Du hast ihn immer gehaßt!« schrie Sussja wild. Sie wollte das Kissen vom Kopf Borkins wegnehmen, aber Fedja stellte schnell seinen Fuß auf ihre Hand.
    »Nicht, mein Töchterchen. Er sieht nicht schön aus. Du erkennst ihn nicht wieder.«
    »Oh! Oh!« stöhnte Sussja. Sie streichelte den Hals Borkins, seine Brust und die schlaffen, geöffneten Hände. »Wir müssen Konjew holen, Fedja.«
    »Einen Dreck müssen wir.«
    Sussja schnellte vom Boden auf. Wie eine Raubkatze stand sie vor Fedja. Ihre Augen waren riesengroß.
    »Du gehst zu Konjew! Der Mörder muß hängen!«
    »Es gibt in der Sowjetunion keine Todesstrafe mehr, mein Täubchen!«
    »Dann soll er in einem Straflager am Eismeer verfaulen!« schrie Sussja. »Geh jetzt!«
    Fedja wiegte den Kopf hin und her und blieb sitzen.
    »Es wäre besser, wir heben ihn auf, waschen ihn schön, ziehen ihm seine Sonntagskleider an, legen ihm den Stalinorden um und begraben ihn hinten im Kiefernwald«, sagte er. »Und zu den Leuten sagen wir: Genosse Iwan Kasiewitsch? Nitschewo! Ging in den Wald, um Bären zu jagen oder Enten oder … was weiß ich es? Und ist noch nicht zurückgekommen. – Man wird ihn dann suchen … aber wer findet ihn? Und die Datscha übernehmen wir.«
    »Schuft! Lump!«
    »Warum so böse Worte, Sussjanka? Es wird Schwierigkeiten geben, wenn Konjew oder gar Genosse Tschetwergow kommen. Man wird entdecken, daß die liebe Sussja eine Hure war und mehr bekam, als ihr an Deputat zusteht! Das sind bestimmt drei Jahre Karaganda, mein Süßes.«
    »Geh zu Konjew!« schrie Sussja. »Und wenn ich Sümpfe trocken legen müßte … ich will den Mörder sehen und ihm die Augen aus dem Gesicht kratzen!«
    Fedja schüttelte den Kopf. »Ich geh nicht«, sagte er laut. »Ich werde dem Unbekannten ein Denkmal bauen – das ist alles, was ich tue!«
    Sussjas Augen wurden wieder klein. Sie verschwanden fast in den Hautfalten, so preßte sie die Augen zusammen. Sie bückte sich, nahm die blutbeschmierte Nagaika vom Boden und drehte sich zu Fedja um.
    »Geh! Oder ich erschlage dich, wie man Iwanja erschlug!«
    Ihre Stimme war ruhig, tonlos und kaum vernehmbar. Fedja sah den Ernst. Er erhob sich von seinem Stuhl und wich zur Tür zurück. Sussja folgte ihm, die erhobene Nagaika schlagbereit in der Faust.
    »Gehst du, du Hund?«
    »Es wird Schwierigkeiten geben –«
    Da schlug sie zu, aber sie traf nur die Schulter Fedjas, da dieser schnell zur Seite sprang und hinaus in den langen Gang flüchtete.
    Sie folgte ihm, aber sie schlug nicht mehr, sondern rannte an ihm vorbei, hinaus auf den Hof … sie rannte schreiend und mit den Armen um sich fuchtelnd, als brenne sie – »Mörder! Mörder! Mörder!« schrie sie immer – aus der Datscha hinaus auf die Straße nach Judomskoje.
    Fedja sah ihr von der überdeckten Terrasse aus nach, wie sie im Staub weiterlief und die Morgensonne, die sich über die Steppe mit einem orangeroten Mantel erhob, sie umgab wie mit einem blutigen Nebel.
    Aus dem Pferdestall kam Kerek, der Hirte. Er rieb sich Häcksel aus dem Haar und klopfte Heu von seiner Hose. Er hatte bei den Pferden geschlafen, weil er sich betrunken hatte und das Heu am nächsten lag zum Schlafen.
    »Was hat Sussja?« rief er zu Fedja hinüber. »Was schreit und rennt sie so?!«
    »Man hat ihren Lieblingshahn geköpft, Brüderchen.«
    Meckernd lachte Kerek. Er ging zum Brunnen, zog einen Eimer

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